Vor einigen Jahren durfte man als deutscher Fußball-Fan von einem Titelgewinn der Nationalmannschaft höchstens träumen. Dann durfte man zumindest hoffen. Jetzt, vor der bevorstehenden Europameisterschaft, kann man wirklich daran glauben. Obwohl 2011 kein Großereignis stattfand, machte die DFB-Elf in diesem Jahr einen weiteren, deutlich sichtbaren Schritt nach vorne.
So souverän wie noch nie zuvor löste die deutsche Nationalmannschaft diesmal das Ticket für ein Großereignis. Neben Welt- und Europameister Spanien entschieden die Löw-Schützlinge als einzige Mannschaft alle Partien in der EM-Qualifikation für sich. Bereits nach vier Spielen hatten sie sechs Punkte Vorsprung auf den vermeintlich stärksten Gruppengegner Türkei. In der gesamten Qualifikation geriet die DFB-Elf lediglich ein einziges Mal in Schwierigkeiten - im sechsten Gruppenspiel in Österreich, als Mario Gomez erst in der Schlussminute der etwas schmeichelhafte Siegtreffer gelang. Nur drei Monate später, im Rückspiel gegen den Nachbarn, qualifizierte sich Deutschland mit einem berauschenden 6:2-Sieg als erste Mannschaft überhaupt für die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine. Trotz der vorzeitigen Qualifikation entschied der Rekordeuropameister auch die beiden abschließenden Partien in der Türkei (3:1) und gegen Belgien (3:1) für sich.
Neben sechs Qualifikationsspielen bestritt die deutsche Nationalelf 2011 sieben Freundschaftsspiele. In den Partien gegen Italien (1:1), Uruguay (2:1), Brasilien (3:2) und die Niederlande (3:0) ging es um Prestige, und deswegen ließ Bundestrainer Joachim Löw in Bestbesetzung auflaufen. Nachdem die DFB-Elf bis zur WM 2006 fast sechs Jahre lang ohne einen Sieg gegen eine große Mannschaft geblieben war, wurden diesmal gleich drei Hochkaräter bezwungen. Vor allem der Erfolg zum Jahresausklang gegen Vizeweltmeister Niederlande blieb in eindrucksvoller Erinnerung. Zudem gelang den Deutschen gegen den Rekordweltmeister vom Zuckerhut der erste Sieg seit 18 Jahren. Die Spiele gegen die vermeintlich schwachen Gegner Australien (1:2), Polen (2:2) und Ukraine (3:3) nutzte Löw, um einiges auszuprobieren und Spielern aus der zweiten Reihe eine Bewährungschance zu geben. Bei den beiden EM-Gastgebern konnten die DFB-Kicker eine Niederlage gerade noch abwenden. In Mönchengladbach kassierten sie dagegen gegen Australien die erste und bislang auch einzige Pleite seit dem Ausscheiden im WM-Halbfinale gegen Spanien (0:1).
Mitreißendes Kurzpassspiel à la Barcelona, viele Tore, Eleganz statt Härte. Die deutsche Nationalelf anno 2011 ist nicht mehr die früherer Tage. Nicht nur auf dem Platz, sondern auch abseits davon. Das bewies zuletzt die Auslosung der EM-Vorrundengruppen Anfang Dezember in Kiew, als das sonstige Losglück die Deutschen verließ. Aber die Löw-Truppe hat es nicht mehr nötig. Vor ein paar Jahren wäre dagegen eine Gruppe mit der Niederlande, Portugal und Dänemark, wie bei der bevorstehenden Europameisterschaft, nicht nur eine Todesgruppe, sondern auch das Todesurteil für den dreifachen Weltmeister gewesen.
Senthuran Sivananda
Das war die roteste Karte seit der Erfindung dieser Einrichtung.
— Erich Laaser