Jens Nowotny hatte einen späten Höhepunkt seiner Karriere erfahren. Die Nominierung des gebürtigen Badebers für die WM 2006 war eine mittelgroße Sensation und die Leistung beim Platzierungsspiel gegen die Portugiesen ein ebenso bemerkenswerter Beleg für sein Können. Der 32-jährige kann in dieser Spätform durchaus noch ein paar Jährchen weiter kicken. Wie heute bekannt wurde, wechselt der Ex-Leverkusener in die kroatische Liga zum Meister Dinamo Zagreb. Jens Nowotny unterschrieb einen Dreijahresvertrag.
Eigentlich wollte er seine Laufbahn lieber in Spanien oder Italien ausklingen lassen. Der AC Florenz stand ganz weit oben auf der Wunschliste; doch der Zwangsabstieg des Vereins in die Serie B vereilte die Aussicht auf eine erfolgreiche Vermittlung. Auch Fenerbace Istanbul wäre eine ernsthafte Option gewesen, hier wiederum erlahmte das Interesse am Spieler Nowotny, nachdem sein früherer Mentor, Christoph Daum, als Trainer zurücktrat. Und der dritte Bewerber im sehr gemütlichen Rennen um die Verpflichtung des Deutschen, der italienische Aufsteiger DU Levante, entschied sich letztlich für Olof Mellberg. Was sollte aus Nowotny werden?
Diese Frage hat sich der Spieler bestimmt auch selbst und vor allem mehrmals gestellt. Nach vier Kreuzbandrissen und kurz vor der Sportinvalidität sind diese Sorgen mehr als berechtigt. Jedes Mal gelang ihm das Comeback, die sportliche Widergeburt, an die keiner mehr so recht glauben mochte. Die Verantwortlichen bei Bayer Leverkusen bewiesen viel Geduld mit ihrem Sorgenkind und erlebten doch ein trauriges Ende vor dem Arbeitsgericht. Es ging um Lohnfortzahlung, gesetzliche Fristen und viele andere juristische Dinge, die mit Fußball nichts mehr gemein hatten. Seinen ursprünglich bis 2008 laufenden Vertrag lösten die Richter auf, Nowotny bekam eine zuckersüße Abfindung in Höhe von 4,7 Millionen Euro. Nicht schlecht. In diese Gehaltsregionen wird er nicht mehr rutschen, denn sein neuer Vertrag sieht lediglich die Zahlung von einer Million pro Jahr vor – den Rest werden dann eben die Zinsen bringen.
Seinen ersten Auslandsvertrag hat Nowotny der Vorarbeit eines früheren Mannschaftskollegen zu verdanken, der ein Großteil seiner Überredungskunst aufgebracht haben musste, um Italien oder Spanien zu toppen. Zoran Mimic setzte voll auf die Karte Freundschaft und vermittelte den spektakulären Transfer, der in Kroatien als größter der Vereinsgeschichte bejubelt wird. Ob das Abenteuer Zagreb jedoch zu einer schönen Exilgeschichte wird, das wird sich vielleicht schon früher als erwartet zeigen. Die ansässige Zeitung Jutarnij List schrieb: „Da seine Frau bald ihr drittes Kind erwartet, hat sich Nowotny über die Krankenhäuser in Zagreb informiert. Wir können nur hoffen, dass Mimic ihm das Beste gezeigt hat. Denn sonst wird der Mann ernsthaft schockiert sein, wenn er sieht, in welchem Zustand unsere Krankenhäuser sind.“ Gilt bestimmt auch für Italien oder Spanien.
Paul Linke/11Freunde-Redaktion
Emotionen gehören zum Fußball dazu, schließlich sind wir nicht beim Schach.
— Carsten Jancker