Der Durchmarsch des Titelfavoriten Niederlande fand im Viertelfinale sein jähes Ende. Gegen Russland enttäuschte die Elftal nicht nur im spielerischen Bereich auf ganzer Linie, auch die Abwehr hatten ihren Namen nicht verdient. Die russische Abschlussschwäche verhinderte eine höhere Oranje-Niederlage.
Während Bondscoach Marco van Basten auf die in der Vorrunde bewährten Stammformation zurückgriff, veränderte einer seiner Vorgänger an der holländischen Seitenlinie, Guus Hiddink, nun Trainer der „Sbornaja“, die Anfangself gegenüber dem Schweden-Spiel (2:0) auf einer Position: Nürnberg-Legionär Saenko startete für Bilyaletdinov im linken Mittelfeld. Beide spielstarken Mannschaften begegneten sich im ultramodernen 4-2-3-1 System, aber einzig die Russen wurden in der Anfangsphase ihrem offensiven Naturell gerecht. Dagegen mühten sich die Niederländer, ihren Rhythmus zu finden. Jedoch dauerte auch die russische Drangperiode nur die Anfangsviertelstunde an, ehe sich beide Mannschaften in die eigene Hälfte zurückzogen, um dem Gegner bloß keine Räume für dessen gefährliche Kombinationen zu geben. Torchancen entstanden zunächst allenfalls aus Standardsituationen: Im Anschluss an einem Eckball zischte Engelaars Distanzversuch am rechten Pfosten vorbei (26.). De Jong und van Nistelrooy verpassten einen van der Vaart-Freistoß um eine Fußspitze (29.). Infolgedessen näherte sich das Spiel zumindest dem erwarteten Niveau an. Die 20 Feldspieler ließen nun ihre Offensivqualitäten des Öfteren aufblitzen. Allerdings zeigten genauso die beiden Torwächter ihre Klasse. Deshalb endete die erste Halbzeit torlos: Van der Sar lenkte einen Arshavin-Schuss noch mit seinen Fingerspitzen zur Ecke (31.) und Sekunden später Kolodins Distanzversuch über die Latte (32.). Auf der Gegenseite parierte sein Pendant Akinfeev die Schüsse von van Nistelrooy (37.) und van der Vaart (43.). Trotz der beidseitigen Schlussoffensive stellte die erste Spielhälfte den illustren Zuschauerkreis, u.a. Bundestrainer Joachim Löw, Ottmar Hitzfeld und Otto Rehhagel, nicht zufrieden.
Die erhoffte Steigerung blieb jedoch aus, obwohl van Basten mit van Persie eine frische Offensivkraft ins Spiel brachte. Der Arsenal-Profi vergab bereits 22 Sekunden nach seiner Einwechselung die erste Chance (46.). Umso überraschender war dann die russische Führung: Zemak setzte sich auf der linken Außenbahn durch und dessen Flankenball drückte Pavlyuchenko über die Torlinie (56.). Oranje konnte kaum etwas dagegensetzen. Ihr Spiel war zu schwerfällig und ebenso ideenarm. Die Russen gefielen sich hingegen ausgerechnet in der holländischen Paradedisziplin, dem Konterspiel. Aber sie vergaben wieder leichtfertig ihre guten Möglichkeiten: Bei Anyukovs Schuss fuhr Bondstorhüter van der Sar noch rechtzeitig seine Hand aus (70.); Zhirkov und Torbinskiy vertändelten einen Angriff (82.). Kurz vor Spielschluss holte van Basten die Brechstange raus und schickte alle Mann nach vorne. Der etwas überraschende Lohn kam hierfür in der 86. Minute: Sneijders Freistoßhereingabe köpfte van Nistelrooy ins Tor. Nur um einen Milimeter entging die Hiddink-Elf einen weiteren Rückschlag: Schiedsrichter Michel hatte schon die Rote Karte für Kolodin draußen, bevor ihn sein Assistent darauf aufmerksam machte, dass der Ball sich vor Kolodins Foul an Sneijder schon im Toraus befunden hatte (90.+1).
In der Verlängerung bekamen die Russen die zweite Luft. Nahezu mühelos durchbrachen sie Hollands löchrige Viererkette. Pavlyuchenkos Lattenknaller (97.) folgte ein freistehender Torbinskiy, der zuerst noch an van der Sar scheiterte (99.), ehe er in der 112. Minute für die erneut verdiente Führung sorgte. Arshavins Hereingabe flog über Ooijer und van der Sar zum Lok Moskau-Profi, der die Kugel mit dem Außenrist ins Netz beförderte. Der Vorbereiter Arshavin sorgte per Beinschuss gegen van der Sar für den abschließenden 3:1-Torerfolg (116.). Am Ende fiel der Erfolg sogar in der Höhe etwas zu niedrig aus, da die Hiddink-Elf ab der zweiten Halbzeit weitgehend das Spielgeschehen bestimmte.
Senthuran Sivananda
In Summe lasse ich mir die drei Jahre aber nicht kaputt reden.
— Adi Hütter, Trainer von Eintracht Frankfurt, nachdem die sicher geglaubte Champions-League-Teilnahme verspielt wurde.