Ein zäher Erfolg

von Günther Jakobsen23:39 Uhr | 22.06.2008

In einem schwachen Viertelfinalspiel, in dem sich die Gegner über weite Strecken neutralisierten, behielt Spanien erstmals nach 88 Jahren in einer Pflichtbegegnung gegen Italien die Nase vorn. Die Entscheidung fiel nach 120 Minuten ohne Esprit und Tore im Elfmeterschießen, in dem Casillas zwei Schüsse meisterte, sein Torwartkollege Buffon einmal Sieger blieb.

In den ersten Spielminuten gestatteten die Teams ihrem Gegner jeweils gerade einmal einen ereignislosen Kurzbesuch im eigenen Strafraum. Tief stehende Italiener und davor querpassende Spanier neutralisierten sich in den engen Räumen. In den Folgeminuten häuften sich die rustikalen Attacken im Mittelfeld. Schiri Fandel hatte nach einer unnötigen Iniesta-Grätsche genug und zog Gelb. Pässe in die Spitze blieben bis zur 15. Minute spärlich und ungenau. Den ersten „Torschuss“ versuchte Torres über Linksaußen, es fehlten allerdings einige Meter bis zum Ziel. Perottas Kopfball auf der Gegenseite (19.) kam zumindest aufs Tor, aber auch ohne Druck. Villas flacher Freistoß aus 24 Metern wurde da schon zu einem „Highlight“, prüfte Buffon aber nicht wirklich. Lob konnten in der ersten halben Stunde bestenfalls die undurchdringlichen Abwehrreihen einheimsen. Unterhaltsam war das Spiel nicht ansatzweise. Silvas Linksschuss zwang Buffon zwar erneut auf den Boden, war aber auch wenig überzeugend (32.). Die Spanier blieben insgesamt eine Idee aktiver, aber ab dem 16er unpräzise. Auffällig auch ihre unbrauchbaren Distanzschüsse (Iniesta und Senna). Silvas Versuch aus der 38. Minute strich dagegen nur Zentimeter am linken Pfosten vorbei – die bis dahin beste Möglichkeit des Spiels. Ein Foul an Silva am rechten Strafraumrand ahndete Fandel nicht, der Spanier hob wohl zu spektakulär ab und ein tatsächlicher Kontakt war ohne Zeitlupe kaum auszumachen (41.). Als Iniesta erneut am linken Pfosten vorbei schoss (44.), war die letzte kleine Chance des ersten Durchgangs vertan. Während die Italiener kaum etwas im Angriff bewirkten, waren die Spanier zwar ungleich aktiver, aber im Abschluss zu schwach.

Spaniens emsigster Mann, David Silva, eröffnete die Fortsetzung der Halbchancen für die Iberer in der 49. Minute, wurde dabei von Chiellini erfolgreich abgeblockt. Geradezu kläglich blieben die italienischen Offensivbemühungen. Toni übte sich in Schwalben und Abseitsstellungen, Cassano in Stockfehlern, während Perotta unsichtbar blieb und deshalb Camoranesi Platz machen musste. Dieser führte sich mit der größten Chance für die Italiener ein, doch sein Nachschuss nach einer zu kurzen Abwehr wurde von Casillas per Fußabwehr geklärt (61.). Auch Aragones brachte mit Santi und Fabregas frische Kräfte, denn Xavi und Iniesta hatten wenig Kreatives zustande gebracht. Als Toni nach 70 Minuten und einer Zambrotta-Flanke endlich einmal zum Kopfball kam, blieb der Erfolg aus, denn die Kugel segelte einen Meter übers Tor. Am Niveau der zähen Partie änderten auch die Einwechslungen nichts. Die Strafräume blieben verstellt, die Pässe in die Spitze mangelhaft. Plötzlich versuchte es Senna in der 81. Minute aus der Distanz. Buffon rollte der scharf getretene Ball aus den Fangarmen und touchierte den Pfosten - viel Glück für den Welttorhüter. Auf der Gegenseite nahm beim Konter der Italiener Toni durch einen missglückten Fallrückzieher Grosso die Möglichkeit zum Einschuss. Da auch in den letzten zehn der mäßigen 90 Minuten wenig passierte, ging es in die Verlängerung.

Typisch: Auch den dritten Abschnitt der Partie läutete ein strammer Linksschuss von Silva ein, an den selbst der abtauchende Buffon kaum herangekommen wäre (93.). Di Natales Kopfstoß auf der anderen Seite verlangte bei der italienischen Antwort eine Glanzparade von Casillas. Die nachfolgende Ecke köpfte Toni aufs Tornetz der Spanier. Endlich schienen die Kontrahenten die Entscheidung konsequenter zu suchen, doch alle weiteren Bemühungen verpufften in der ersten Halbzeit der Verlängerung. Zwölf Minuten vor dem Ende warf Donadoni Altstar Alessandro del Piero ins Geschehen, doch zunächst scheiterte Villa in einer Eins-zu-eins-Situation an Buffon (111.). Eine ähnlich interessante Situation erspielten sich beide Teams nicht mehr, auch wenn Santi kurz vor dem Abpfiff die Kugel nochmals einen Meter am langen Eck vorbei zog. Das Elfmeterschießen musste die Entscheidung bringen: Villa, Grosso und Santi trafen hintereinander. De Rossi scheiterte an Casillas, während Senna und Camoranesi ihre Elfmeter versenkten. Danach hielt Buffon Guizas Schuss, aber auch Di Natale musste gegen Cassillas passen. Fabregas brachte die Spanier dann schlussendlich ins Halbfinale.

Ulrich Merk



Stellt euch vor, eure ganze Familie sitzt vor dem Fern­seher, und ihr macht da den ster­benden Schwan. Wollt ihr, dass eure Mamis sich für euch schämen?

— Brian Clough, Nottingham Forest, vor dem Europacupfinale 1979 in München.