Eingewechselt - ein Rückblick

von Günther Jakobsen16:06 Uhr | 02.12.2005

Ein nicht unwesentlicher Teil aller Bundesligaprofis sitzt bei Spielanpfiff auf der Bank. Im Unklaren darüber, ob sich eine Chance zum Spieleinsatz ergibt, oder mit der Aussicht auf einen Teilzeiteinsatz. In der Gründerzeit der Liga gab es solche Unklarheiten nicht.

Zerrung? Egal
Routiniers wie Jens Jeremies (Bayern), spielstarke Akteure wie Nelson Valdez (Werder) und Jungspunde wie Mario Gomez (VfB) haben aus unterschiedlichen Gründen eines gemeinsam: Sie stehen im Normalfall nicht in der Startelf ihrer Teams. Immerhin: Bei taktisch bedingten Umstellungen oder Verletzungen von Mitspielern können sie jederzeit während des laufenden Spiels eingewechselt werden. Eine Option, auf die ihre Kollegen aus den ersten vier Bundesligasaisons nicht bauen konnten. Als sich der Profifußball in Deutschland 1963 mit dem Ligastartschuss entwickelte, kannte man keinen Spieleraustausch. Ohne Rücksicht auf Verluste waren die 22 Akteure, die auf den Platz liefen, zum Durchhalten bis zum Abpfiff verdammt - es sei denn, es ging partout nicht mehr. Dementsprechend findet man in alten Spielberichten immer wieder den auf die mit Zerrungen, Fleischwunden oder Prellungen angeschlagenen Spieler bezogenen Begriff der „Statisten“ wieder, die sich humpelnd oder einfach nur auf dem Platz herumstehend über die Zeit quälten. Erstaunlich, dass sich dieser Missstand über vier Spielzeiten erstreckte.

Der erste Joker
Ab 1967/68, in der fünften BL-Saison, konnten angeschlagene Akteure erstmals ersetzt, bzw. taktische Wechsel vorgenommen werden. Allerdings nur ein Spieler pro Team. Zwischen Feldspielern und Keepern wurde kein Unterschied gemacht. Insgesamt griffen acht Klubs bereits am ersten Spieltag auf die Neuregelung zurück. Der HSV machte - notgedrungen - den Anfang. Beim Nordderby in Bremen war das Spiel für Keeper Arkoc Öczan bereits nach 20 Minuten beendet, da er sich bei einer Abwehraktion einen Fingerbruch zugezogen hatte. Für ihn rückte Ersatzmann Erhard Schwerin nach. Die kürzestete Einsatzzeit der später Berufenen hatte Nürnbergs Stürmer Gustav „Gustl“ Starek. Der Österreicher wurde beim Spiel gegen den Karlsruher SC in der 85. Minute eingewechselt, mit der von Landsmann und Trainer Max Merkel gelieferten Begründung: „Dem Starek fehlt noch die Kondition für 90 Minuten“. Eine Formulierung, die - mit wechselnden Protagonisten - die Zeit überdauert hat und manchem derzeit auf Teilzeit gesetzten Bundesligakicker geläufig sein dürfte. Aufgrund seiner neun Einwechselungen (bei 24 Saisonspielen) ist Starek als Vorläufer der „Joker“ zu betrachten. In dieser Funktion stach er allerdings nicht. Seine fünf Saisontreffer erzielte der Österreicher, als er in der Startformation aufgeboten wurde.

Die Chance für drei
Mit der Saison 1968/69 wurde das Austauschkontingent verdoppelt. Zwei Spieler durften fortan während der Partie ausgewechselt werden. Auch hier wurden, wie generell im Bundesliga-Reglement bindend, die Torhüter nicht gesondert betrachtet, wie es beispielsweise bei Freundschaftsspielen der Nationalelf praktiziert wird (Auswechselungen einer bestimmten Anzahl Feldspieler plus Torwartwechsel). Bis zur nächsten und bis dato letzten Änderung dauerte es 27 Jahre. Seit der Spielzeit 1995/96 besteht die Möglichkeit, drei Spieler auszutauschen. Eine sinnvolle Regelung, von der die Trainer regen Gebrauch machen. Und - das mag den Spielern auf der Bank ein Trost sein - eine Regelung, von der ihre Vorgänger geträumt hätten.

André Schulin



Ich hatte in Liverpool auch schlechte Zeiten. Ein Mal sind wir Zweiter geworden.

— Bob Paisley (1919 - 1996), Trainer FC Liverpool, der in neun Jahren sechs Mal Meister wurde.