Energie Cottbus zum Saisonstart 2002/2003

von Günther Jakobsen17:15 Uhr | 15.08.2002

Im „Stadion der Freundschaft“ geht es natürlich normalerweise genauso grob und meist auch humorlos zu, wie in allen anderen Arenen am Wettkampftag. Die Partie gegen Mönchengladbach wird eine Ausnahme darstellen. Zuletzt schenkten die Lausitzer ihren Gästen einen Punkt.

Die letzte Saison…
…startete Energie furios. Nach dem vierten Spieltag belegten die Lausitzer den dritten Tabellenplatz. Der verdiente 3:2-Erfolg in Berlin bei Hertha verbreitete kurzfristig die Zuversicht, das Geyer-Team könnte seine eklatante Auswärtsschwäche abgelegt haben. Ein Trugschluss, denn dies blieb der einzige „Dreier“ auf fremden Plätzen (dazu noch vier Remis). Dem Hertha-Spiel folgten 14 Partien ohne Sieg und damit der Sturz in den Tabellenkeller. In der Winterpause berappelten sich die Lausitzer und setzten mit dem 2:1-Erfolg über Werder Bremen (19. Spieltag) der Negativserie ein Ende. Nun traf auch Neuzugang Marko Topic. Seine sieben Saisontore erzielte der bosnische Stürmer allesamt nach dem Jahreswechsel. Dem im Dezember neu verpflichteten Ex-Wolfsburger Markus Feldhoff blieb auch in Cottbus das Verletzungspech treu (nur zwei Einsätze). Der ebenfalls im Dezember geholte Ex-Frankfurter Thomas Reichenberger brachte es immerhin auf zehn Einsätze und einem Torerfolg. Von Antun Labak und Rudi Vata hingegen hatte man sich in der Winterpause getrennt. Die Rückbesinnung auf die Heimstärke (sechs Siege in Folge) führte dazu, dass Energie bereits nach dem 0:0 beim VfB Stuttgart (31. Spieltag) das Erreichen des Klassenziels feiern konnte: Den Verbleib in der ersten Liga.

Gnadenlos ohne Ende
Tatort: Stadion der Freundschaft. Beteiligte: Witeczek, Piplica, der Ball. Anlass: Ligaspiel - Energie gegen Gladbach (3:3), 30. Spieltag, 85. Spielminute. Fohlen-Akteur Marcel Witeczek schoss von der Strafraumgrenze auf´s Cottbuser Tor. Das Leder wurde stark abgefälscht, stieg steil hoch und senkte sich dann als Bogenlampe auf das von Tomislav Piplica gehütete Tor. „Mit der Hand kann´s jeder“, mag sich Piplica gedacht haben als er den Ball kommen sah, und machte etwas anderes. Mit stoischer Ruhe und demonstrativ runterhängenden Armen verharrte der Keeper ob der sich bedrohlich nähernden Kugel regungslos auf der Linie, schien das Leder allein mit dem Willen seines Geistes hinwegfäusten zu wollen. Aber, oh weh - das verflixte Flugobjekt ignorierte die meditativen Gehversuche des Zauberlehrlings beharrlich, ditschte - ballistisch völlig unbeeindruckt - auf dessen feilgebotenen Hinterkopf und hüpfte von da nach hinten (Einfallswinkel = Ausfallswinkel) ins offene (Scheunen-)Tor. Der Bosnier Piplica ließ sich daraufhin nach einem kurzen Moment der Starre friesisch herb fallen - keine Kompromisse, kein anderes Bier, keine Reaktion. Die kam später von Energie-Coach Eduard Geyer: „Mir wäre lieber gewesen, er hätte den Ball durch die Beine bekommen“. Wie bitte? Eine solche haushohe Bogenlampe…durch die Beine…ins Tor? Die Nummer wäre ja noch härter gewesen. Gnadenlos, dieser Ede.

Die Neuen und der Kader
Neuzugang Andrzej Juskowiak, immerhin seit 1996 in der Bundesliga tätig (Gladbach und Wolfsburg), meinte: „So hart wie hier habe ich noch nie trainiert“. Trainer Eduard Geyer werden solche Äußerungen nicht umhauen. Im Gegenteil. Er steht dafür, dass Fußball in erster Linie „gearbeitet“ wird. Dieses Prinzip wird er auch den anderen Neu-Lausitzern vermitteln. Neben Juskowiak zählen dazu der andere Stürmer-Neuzugang Robert Vagner (von Ujpest Budapest), sowie die Mittelfeldleute Marco Gebhardt (von Eintracht Frankfurt), Szolt Löw (von Ujpest Budapest) und Radoslav Kaluzny (von Wisla Krakau). Für die Abwehr wurden Marcel Rozgonyi (von Schalke) und Rayk Schröder (von Hansa Rostock) geholt, die beide schon zuvor zuvor für Cottbus spielten, allerdings nicht in der Bundesliga. Mit gerade einmal 36 Treffern in der vergangenen Saison konnte die Geyer-Elf nicht unbedingt beeindrucken. Vasile Miriuta, Initiator der meisten „Energie-Entladungen“, glaubt, dass diese Bilanz verbessert wird: „Im Sturm haben wir uns verstärkt“. Fürs Tor wurde keine Neuverpflichtung getätigt. Ist auch nicht nötig, wenn Piplica konventionelle Methoden anwendet.

Positiver Trend
Als Energie Cottbus vor zwei Jahren in die Bundesliga aufstieg, wurden die Lausitzer als Abstiegsfavorit Nummer eins gehandelt. Tatsächlich krebste Energie in der ersten Saison ziemlich konstant in der gefährdeten Zone herum und konnte nur mit Mühe die Klasse halten. Demgegenüber steigerte sich das Geyer-Team im letzten Jahr bereits. Eine erneute Verbesserung, auch in spielerischer Hinsicht, käme durchaus nicht überraschend. Begrüßenswert wäre dies allemal, denn, wenn natürlich auch unfreiwillig, steht Cottbus für den „Kleinen“, der sich einer (finanziell) übermächtigen Konkurrenz erwehren muss.

André Schulin

Die Energie Cottbus-Daten



Ich weiß nicht, wer hier Deutscher Meister werden wollte. Es gab rote Trikots auf dem Platz, aber das war ganz bestimmt nicht unsere Mannschaft.

— Oliver Kahn, Vorstandsmitglied des FC Bayern, nach dem 1:3 beim FSV Mainz 05.