Energisches Aufbäumen

von Günther Jakobsen15:51 Uhr | 28.02.2003

Mehr Kontrast ist kaum möglich. Vom „hoffnungslosen Fall“ (Franz Beckenbauer) der Hinserie, zum besten Rückrundenteam (13 von 15 möglichen Punkten) der Liga - noch vor des „Kaisers“ Ensemble. Die Geyer-Truppe formierte sich personell neu, änderte das Abwehrsystem und stellte quasi als „Kraftwerk Cottbus“ seine Konkurrenzfähigkeit unter Beweis.

Kette gegen den Abstieg
Im Herbst letzten Jahres erwog Energie-Coach Eduard Geyer, seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. In der erbärmlichen Hinserie (10 Punkte aus 17 Spielen) lief nichts zusammen. Die einstige Heimstärke war wie weggeblasen (nur ein Sieg). Doch der Verein stimmte seinen obersten Übungsleiter um und im Januar unterschrieb Geyer einen neuen Kontrakt. Im Winterpausen-Trainingslager in Dubai ließ Geyer dann die Systemumstellung in der Abwehr einspielen - weg von der löchrigen Variante mit Libero (38 Gegentore) - hin zur Viererkette: ein Volltreffer.

Mehr Platz in der Kabine
Schon zu Saisonbeginn wurde das Energieteam personell stark verändert - im Laufe der Hinserie setze sich dies als Kaderverkleinerung fort. Noch vor der Winterpause trennte man sich von weiteren Akteuren: Sebök, Akrapovic und Miriuta (Vertragsauflösungen). Besonders die Trennung vom ungarischen Mittelfeldspieler Vasile Miriuta - einst gefeierter Star in Cottbus - war vor Saisonstart nicht absehbar. Im Januar 2003 schließlich wechselte Abwehrspieler Radoslav Kaluzny zu Bayer Leverkusen. „In unserer Situation können wir es uns auf keinen Fall leisten, noch Spieler abzugeben“, kommentierte Geyer den Transfer Kaluznys. „Aber was soll man machen, wenn das Geld fehlt“.

Gehaltsverzicht unverzichtbar
Die unklare Zukunftsfrage, kombiniert mit der Finanzschwäche des Vereins, berührt auch die Vertragsverhandlungen mit den Spielern, deren Kontrakte zum Saisonende auslaufen. Nicht jeder will den immer noch drohenden Weg in die Zweitklassigkeit mitgehen, oder die von der Cottbuser Vereinsführung aufgrund der schwierigen finanziellen Lage des Vereins offerierte Kürzung der Bezüge (kolportiert: Verzicht auf ein Zwölftel des Jahreseinkommens) akzeptieren. Paolo Rink, erst seit dieser Saison bei Energie, lehnte Gehaltsbeschneidungen ab. „Wir können ihn uns nicht mehr leisten“, meinte Energie-Manager Klaus Stabach dazu. Allerdings stellte der Stürmer mit seiner bisherigen Bilanz (zehn Einsätze, zwei Tore) auch keine Stütze des Teams dar.

Energie-Schub mit neuen Helden
Als Galionsfiguren des Aufschwungs nach der Winterpause taten sich andere hervor. Torhüter André Lenz zum Beispiel, der den formschwachen Tomislav Piplica verdrängte. Die formidable Bilanz von lediglich einem Gegentreffer aus den ersten fünf Rückrundenspielen ist, neben der Systemumstellung in der Abwehr, auch ein Verdienst der neuen Nummer eins im Cottbuser Gehäuse. Ein anderer Protagonist des neuen Energie-Schubes ist Goalgetter Marko Topic. Der bosnische Nationalspieler mit eigenwilliger Jubelpose (ausgestreckte Zunge) drehte, wie in der vorigen Saison, erst nach der Winterpause so richtig auf. Da die gesamte Mannschaft neu beseelt scheint, ist man in Cottbus in Sachen Klassenerhalt durchaus wieder guter Hoffnung - auch wenn der Titel „beste Rückrundenelf“ kaum zu verteidigen sein dürfte.

André Schulin



Das Spiel war ausgeglichen - auf beiden Seiten.

— Rainer Adrion