Selten hatte England eine größere Titelchance als bei dieser Weltmeisterschaft. Und das nur zwei Jahre nachdem die Europameisterschaft ohne die Three Lions stattgefunden hatte. Allerdings sind die Erfolgsaussichten von Wayne Rooney abhängig.
Der neue Trainer Fabio Capello hat die Mannschaft auf ein deutlich höheres Niveau gehievt. Der Italiener löste auch das englische Dauerproblem: Mit Steven Gerrard und Frank Lampard hat er zwei defensive Mittelfeldspieler ähnlichen Typs. Während Lampard auch unter Capello den Sechser gibt, kommt Gerrard im linken Mittelfeld zum Einsatz.
Das Ticket nach Südafrika wurde bereits zwei Spieltage vor Schluss gelöst. Lediglich im vorletzten Spiel in der Ukraine (0:1) erlaubten sich die Briten eine Niederlage. Die anderen neun Partien wurden alle gewonnen, die gegen Kroatien, das 2007 Englands EM-Teilnahme verhinderte, sogar mit deutlichem Unterschied (4:1, 5:1). Seit dem Triumph bei der Heim-WM 1966 warten aber die Inselkicker auf einen Titel. Bei der WM 1990 und der EM 1996 erreichten sie das Halbfinale. Ansonsten war spätestens im Viertelfinale Schluss, wie vor vier Jahren gegen Portugal (1:3 n.E.). Wayne Rooney sah damals in der 62. Minute die Rote Karte, nachdem er den am Boden liegenden Carvalho getreten hatte.
Der einstige Sündenbock ist allerdings der aktuelle Hoffnungsträger, der sich in dieser Saison in der Form seines Lebens befindet. Zu verdanken hat er seine Leistungsexplosion unter anderen Capello, aber auch Cristiano Ronaldo. Seit dem Wechsel des Portugiesen zu Real Madrid besitzt er bei seinem Verein Manchester United dieselben Freiheiten wie im Nationaltrikot. Als sich Rooney im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinales bei Bayern München (1:2) eine Knöchelverletzung zugezogen hatte, erhöhte ein englischer Wettanbieter die Quote für einen Titelgewinn der Nationalmannschaft. Denn die anderen Angreifer können Rooney nur ergänzen, aber nicht ersetzen.
Auch in der Abwehr sind die Engländer stark, aber dünn besetzt. John Terry verlor seine Kapitänsbinde an Rio Ferdinand, als seine Affäre mit der Freundin Wayne Bridges bekannt wurde. Weil der gehörnte ManCity-Profi aus der Nationalmannschaft zurücktrat und Stephen Warnock sich den Knöchel verdreht hat, stehen Capello mit Ashley Cole und dem unerfahrenen Leighton Baines lediglich zwei Linksverteidiger zur Verfügung. Der Ausfall von David Beckham wiegt nicht so schwer, der mögliche von Gareth Barry (Knöchelverletzung) schon eher. Die traditionelle Achillesferse der Three Lions ist jedoch die Torhüterposition. Die Nummer eins wird vermutlich West Hams Robert Green sein.
Die Engländer scheinen sich ihrer Sache trotzdem sicher zu sein. Die Boulevardzeitung „The Sun“ nannte die Vorrundenauslosung „die beste Gruppe seit den Beatles“. Bei USA, Algerien und Slowenien nicht zu Unrecht. Der Fußball-Evergreen „Football‘s coming home“ wurde nach 1996 und 1998 zum dritten Mal neu aufgenommen. Damals scheiterten die Briten danach jeweils im Elfmeterschießen. Die Gegner hießen Deutschland und Argentinien, und diese drohen auch diesmal. Auf die DFB-Elf würde England im Achtelfinale treffen, wenn nur einer der beiden Gruppensieger wird, und auf Argentinien frühestens im Viertelfinale.
Mögliche Aufstellung: Green - Johnson, Ferdinand, Terry, A. Cole - Lampard, Barry (Carrick) - Walcott, Gerrard - Rooney - Heskey
Senthuran Sivananda
Ich habe Real Madrid aus dem gleichen Grund verlassen wie Angel di Maria: Wir haben hart gearbeitet, aber das Lob haben Andere bekommen.
— Weltmeister Xabi Alonso bei seinem Wechsel von Real Madrid zu Bayern München.