Englands Angst vor Estland

von Günther Jakobsen13:46 Uhr | 05.06.2007

Die Boulevardpresse hat die Katastrophe schon genau beziffert: Sollte England die EM 2008 verpassen, gingen dem Verband 60 Millionen Euro durch die Lappen. Die Schlagzeilen zeigen: Im Fußball-Mutterland geht die Angst um.

"Ein Sieg ist lebenswichtig", sagte Kapitän John Terry vor dem Duell am Mittwoch gegen Estland, die Nummer 110 der Weltrangliste, die bislang alle sechs Spiele in der Gruppe E verlor und kein einziges Tor erzielte. Dennoch ist den Engländern nicht wohl bei der Reise zum Fußball-Zwerg. "Es ist gefährlich zu glauben, es wird einfach", meinte Teammanager Steve McClaren, der die Esten am Samstag beim 0:1 gegen Kroatien beobachtete.

Dass plötzlich eine Mannschaft, die vom Weltverband FIFA hinter Hongkong und Benin geführt wird, eine Gefahr für die stolzen Three Lions darstellt, haben sie sich selbst zuzuschreiben. Der Weltmeister von 1966, der nur eines der letzten sieben Länderspiele gewann (3:0 gegen Andorra), hinkt in der Qualifikation der Konkurrenz hinterher. Kroatien (16 Punkte), Russland und Israel (je 14) liegen vor England (11). "Die Tabelle lügt nicht", sagte Torhüter Paul Robinson: "Wir können uns nicht verstecken, wir müssen gewinnen."

Pfeifen im Walde

In einer schwierigen Zeit, in der der Trainer in der Kritik steht und die Stars den Zorn der Fans zu spüren bekommen, machten das 1:1 am vergangenen Freitag gegen Rekordweltmeister Brasilien und die gelungene Rückkehr des verlorenen Sohnes David Beckham Mut. "Aus diesem Spiel ziehen wir Selbstvertrauen", sagte Frank Lampard, der derzeit besonders den Unmut der Anhänger zu hören bekommt und gegen Brasilien fast über die gesamte Spielzeit ausgebuht wurde. Der Mittelfeldspieler des FC Chelsea lobte vor allem Rückkehrer Beckham, der England nun aus der Krise helfen soll: "David gibt uns die richtige Balance im Mittelfeld. Er passte sofort wieder rein und war wieder einer von uns." Wie lange der Fußball-Popstar seinen Landsleuten auf dem Weg nach Österreich und in die Schweiz aber noch helfen kann, hängt auch von seinem neuen US-Arbeitgeber ab. Die Los Angeles Galaxy, die den 32-Jährigen für 250 Millionen Dollar und fünf Jahre unter Vertrag nahm, will ihn nicht zu jedem Länderspiel abstellen. "Ich hoffe, dass ich jetzt für längere Zeit wieder hier bin", sagte Becks, der seinen künftigen Klub schon öffenlich um die Freigabe für sein Heimatland bat.

Shearer über Beckham

Nach dem viel umjubelten Comeback am Freitag melden sich bereits die ersten, die den bevorstehenden Wechsel ihres ehemaligen Kapitäns in die USA kritisieren. "Ich weiß nicht, ob David schon bedauert, nach LA zu gehen", schrieb Ex-Nationalspieler Alan Shearer in der Sun: "Aber er ist besser als das dortige Niveau, da gibt es überhaupt keinen Zweifel." Die langen Flüge seien kein Problem, meinte Shearer, auch werde er in den nächsten drei Monaten nicht vergessen haben, wie man auf internationalem Niveau spiele. "Aber es könnte ein Problem geben, wenn die Mannschaft für die EM nominiert wird und David den ganzen Winter über keinen Fußball gespielt hat", merkte der Ex-Nationalspieler an: "Doch erst muss sich England qualifizieren, und Beckham kann dabei helfen."

Dirk Gieselmann

11Freunde-Redaktion



Ab Montag machen wir in Las Palmas so richtig Halligalli.

— Rainer Bonhof, Gladbach, nach der Saison 1976/77.