Frankreich: Allez Les Bleues?

von Günther Jakobsen14:58 Uhr | 24.06.2011

Bei Weltmeisterschaften ein recht unbeschriebenes Blatt, hat sich der französische Fußball vor allem auf Vereinsebene in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Mehr als ein wenig ärgern können die Französinnen ihre starken Gruppengegner dieses Jahr wohl aber noch nicht.

Erst zum zweiten Mal hat es die Frauenfußballnationalmannschaft Frankreichs geschafft, sich für eine Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Obwohl im französischen Verband bereits seit 1920 Frauenfußball angeboten wird, fand das erste offiziell von der FIFA anerkannte Länderspiel erst 1971 statt (4:0 über die Niederlande). Für Europameisterschaftsdebüt der Frauen qualifizierte man sich, scheiterte aber in der Vorrunde. Danach dauerte es über ein Jahrzehnt, bis Frankreich wieder an den europäischen Meisterschaften teilnehmen konnte. Dies seit 1997 in schöner Regelmäßigkeit, mehr als das Erreichen des Viertelfinales im Jahre 2009 sprang jedoch nicht dabei heraus. Auch die bisher einzige WM-Teilnahme 2003 war nicht von Erfolg gekrönt. In einer Gruppe mit Brasilien (1:1), Norwegen (0:2) und Südkorea (1:0) scheiterten „Les Bleues“ bereits in der Vorrunde. Wesentlich erfolgreicher als die A-Nationalmannschaft sind die Jugendteams der Französinnen. 2003 wurde die U-18 Europameister; 2002, 2005 und 2006 verlor die Mannschaft jeweils das Finale. Bei der U-20-WM 2008 spielte sich das Team bis ins Halbfinale und landete am Ende auf Platz vier. Diese Erfolge sind Ergebnis einer verbesserten und erfolgreichen Jugendförderung in Frankreich - Talente werden systematisch gesichtet und gefördert. Auch die französische erste Liga hat einen Schub erhalten; bestes Beispiel hierfür ist der Gewinn der Champions League 2011 durch Olympique Lyon (2:0 über Turbine Potsdam).

Viele der erfolgreichen Juniorinnen von 2003 sind mittlerweile fester Bestandteil des Teams von Trainer Bruno Bini. Der 56-Jährige, seit 2007 für das Nationalteam Frankreichs verantwortlich, konnte also auch schon bei der WM-Qualifikation auf eine eingespielte Mannschaft zurückgreifen. Entsprechend erfolgreich überstanden die Französinnen die Gruppenphase. In einer Gruppe mit Island, Nordirland, Estland, Kroatien und Serbien blieben sie ohne Gegentor, erzielten selbst 50 Treffer und gewannen jedes Spiel. In der Play-Off-Phase wartete Italien, das nach einem torlosen Unentschieden im Hinspiel im zweiten Match mit 3:2 geschlagen werden konnte; Frankreich qualifizierte sich direkt für die WM-Endrunde.

Die Französinnen leben vor allem von ihrer starken Offensive. Mit sieben Toren war Gaëtane Thiney (25, FCF Juvisy) maßgeblich an der erfolgreichen Qualifikation beteiligt, kräftig unterstützt von Marie-Laure Delie (23, Montpellier HSC), die viermal traf. Verstecken müssen sich allerdings auch Nachwuchsstar Eugénie Le Sommer (22) und Élodie Thomis (24) nicht, die beide Teil des in der Champions League erfolgreichen Teams von Olympique Lyon sind. Im Mittelfeld wirbeln mit einer feinen Technik vor allem Louisa Nécib (24, Olympique Lyon) und Camille Abily (26, Olympique Lyon), unbestrittene Anführerin ist jedoch Kapitänin Sandrine Soubeyrand (37, FCF Juvisy), mit 161 Länderspielen Rekordnationalspielerin ihres Landes. In der Abwehr hat Sonia Bompastor (31, Olympique Lyon) das Sagen, mit 128 Länderspielen ist sie nach Soubeyrand die erfahrenste Frau. Auch auf der Torhüterposition ist Frankreich mit Céline Deville (29, Montpellier HSC) erstklassig besetzt.

„Les Bleues“ treten in Deutschland also mit einer Mischung aus mittlerweile integrierten Nachwuchsspielerinnen und international sehr erfahrenen Akteurinnen an. Alle Spielerinnen sind in Frankreich aktiv, was dazu führt, dass sie sich gut kennen und vor allem auch die Liga weiter nach vorne bringen. Nach einer überraschend dominanten Qualifikationsgruppenphase taten sich die Französinnen gegen Italien schwer, zudem zeigten sie in den jüngsten Vorbereitungsspielen (1:1 gegen Schottland, 2:1 und 7:0 gegen Belgien) eher durchwachsene Leistungen. Der französische Frauenfußball ist vor allem auf Vereinsebene auf der internationalen Bühne angekommen, jetzt müssen die Damen beweisen, dass sie sich auch im Ländervergleich ähnlich gut präsentieren können. In einer Gruppe mit Deutschland, Kanada und Nigeria keine leichte Aufgabe; das Erreichen des Viertelfinales wäre eine Überraschung, aber wenn der französische Verband seine Arbeit konsequent so fortsetzt, wird die Nationalmannschaft spätestens bei der nächsten WM höhere Ansprüche haben.

Lisa Ramdor



Ich habe unrasiert schon ein paar Mal recht gut gespielt.

— Bayern-Bomber Gerd Müller mit einem neuen Ritual vor dem Spiel.