Die Brasilianer liefen auch im Viertelfinale gegen Frankreich ihrer Form hinterher und schieden verdient aus. Der einzige Ballzauberer auf dem Feld war Zidane, der nicht nur den entscheidenden Treffer von Henry vorbereitete.
Die Überraschungsmomente der ersten Halbzeit lieferte die Mannschaftsaufstellung der Brasilianer, die mit Gilberto Silva für Emerson und mit Juninho für Adriano eine defensive Variante präsentierten. Umso erstaunlicher, dass der Selecao ein schwungvoller Start gelang. Ein Freistoß von Juninho (5.) und ein Kopfball von Ronaldo (11.) verfehlten ihr Ziel allerdings deutlich. Die Franzosen begannen ebenfalls aus einer kompakten Abwehr, deuteten mit einigen Schnellangriffen aber ihre Gefährlichkeit an. Doch ausschließlich mit langen Bällen auf Henry war der Innenverteidigung um Lucio und Juan nicht beizukommen. Mit fortschreitender Spieldauer erarbeiteten sich die ganz in weiß gekleideten Blauen ein spielerisches Übergewicht, ohne in Tornähe wirklich zwingend zu werden. Die Südamerikaner stellten den Betrieb immer mehr ein und schauten dem Gegner beim Kombinationsspiel lediglich zu. So blieben die Torannäherungen der Anfangsphase für lange Zeit die einzigen Höhepunkte, bis es kurz vor dem Wechsel fast noch gekracht hätte. Der umtriebige Zidane schickte Vieira auf die Reise, den Juan erst im letzten Moment mindestens gelbwürdig stoppte. Den Freistoß von Zidane wehrte Ronaldo mit einem Handspiel ab, was den Schiedsrichter erneut zum Zeigen eines Gelben Kartons motivierte. Den folgenden Standard von der Strafraumkante schoss Henry in die Mauer. Eine knappe Führung der Europäer hätte dem Spielverlauf durchaus entsprochen.
Das Team von Raymond Domenech hätte sich kurz nach Wiederbeginn fast für ihr großes Engagement belohnt. Im Anschluss an einen Freistoß von Zidane aus dem rechten Halbfeld flog der Kopfball von Vieira nur knapp am Gehäuse vorbei (46.). Das war bis dahin die mit Abstand dickste Chance der gesamten Partie. Die Brasilianer schienen sich anschließend nur scheinbar zu fangen. Der große Rückschlag folgte mit der nächsten Aktion eines überragenden Zidane. Der lange Flankenschlag des Spielgestalters von der linken Seite segelte aus ruhender Position in hohem Bogen herein und fand am zweiten Pfosten im völlig ungedeckten Henry einen dankbaren Abnehmer. Aus drei Metern schlug die Kugel unhaltbar für Dida unter der Latte ein (57.). Die Parreira-Schützlinge legten ihre Zurückhaltung auch nach dem Rückstand nur sehr langsam ab. Der Vorwärtsgang wurde zwar eingelegt, aber die entscheidenden Zweikämpfe gingen immer verloren. Die Franzosen kontrollierten das Geschehen aus einer robusten Deckung, während Zidane in der Offensive als Denker und Lenker fungierte. Einen der zahlreichen Konter hätte Ribery fast mit der Vorentscheidung abgeschlossen, doch auf Pass von Henry kam er gegen Dida einen Schritt zu spät (70.). Dagegen hatte die Selecao auch nach den Einwechslungen von Adriano und Robinho kaum ernsthafte Torgelegenheiten zu verzeichnen. Zwei Halbchancen von Robinho (81.) und Ronaldo (84.) blieben zunächst das magere Ergebnis. Das Warten auf die geniale Einzelaktion von Ronaldino fand mit einem Freistoß von Strafraumkante ihr Ende, der über den Kasten segelte (89.). In der Nachspielzeit wurde es kurz dramatisch. Saha hatte die Entscheidung, Ronaldo und Ze Roberto den Ausgleich auf dem Fuß. Dann war der Weltmeister entthront.
Kai Endres
Unser Team braucht hin und wieder eine Watsch'n.
— Augsburgs österreichischer Stürmer Michael Gregoritsch.