Ghana: „Black Stars“ ohne Kopf?

von Günther Jakobsen15:45 Uhr | 08.06.2010

Teamgeist. Nach dem Ausfall ihres Leaders Michael Essien (FC Chelsea), dem bislang teuersten afrikanischen Fußballspieler aller Zeiten, rückt die Mannschaft von Ghana demonstrativ zusammen und beschwört die Geschlossenheit der Truppe des serbischen Trainers Milovan Rajevac. Ein Pfeifen im Walde?

Bereits in der Qualifikation zur diesjährigen WM konnte das schwarzafrikanische Team in einer nicht sonderlich anspruchsvollen Gruppe gegen Benin, Mali und dem Sudan nur bedingt überzeugen, auch wenn 13 von 18 möglichen Punkten eingefahren wurden. Mit einem extrem verjüngten Kader erreichte Ghana beim Afrika-Cup jedoch auch überraschend das Finale, wo gegen Ägypten allerdings beim knappen 0:1 besonders die Schwächen im Angriff deutlich wurden. Mit dem endgültigen Ausfall von Kapitän, Spielmacher und Schlüsselfigur des Teams, Michael Essien, der bereits seit Januar aufgrund einer hartnäckigen Knieverletzung pausieren musste, kann zudem der wichtigste Kopf in der Elf beim Turnier nicht mithelfen. Als Trotzreaktion betonen alle Beteiligten nunmehr die Stärken des Teamworks. Die Vorbereitungsspiele machten den Fans der „Black Stars“ allerdings wenig Hoffnung, denn sie offenbarten noch einige Baustellen.

Stammtorwart Richard Kingson erwies sich nämlich zuletzt als wenig konstant. Kein Wunder, denn bei Wigan Athletic in England musste sich der Keeper mit der Rolle als vierter (!) Schlussmann abfinden, stand in keinem einzigen Ligaspiel der abgelaufenen Saison zwischen den Pfosten. Die beiden Ersatztorhüter Agyei und Ahorlu sind international zudem völlig unerfahren. Recht verlässlich erwiesen sich allerdings die Vorderleute von Kingson, an der Spitze Abwehrchef John Mensah, der in Sunderland immerhin auf 16 Einsätze in der letzten Spielzeit kam und als wichtiger Abwehrstabilisator seine Knieprobleme wohl rechtzeitig überwunden hat. Neben ihm scheinen der solide Rechtsverteidiger Paintsil und Innenverteidiger Vorsah aus Hoffenheim gesetzt zu sein. Leverkusens Ersatzmann Hans Sarpei wird voraussichtlich als linker Außenverteidiger seine Erfahrung einbringen. Nach dem Ausfall von Essien bewährte sich Kevin-Prince Boateng neben dem Defensivfachmann Anthony Annah im hinteren Mittelfeld, während Inter Mailands Sulley Muntari und Spielmacher Stephen Appiah die Fäden hinter den Angreifern Asamoah Gyan, Kwadwo Asamoah bzw. Prince Tagoe (ebenfalls Hoffenheim) ziehen sollen. Besondere Hoffnungen liegen dabei auf Stoßstürmer Gyan aus dem französischen Rennes, der nicht wenige Länderspiele durch seine Treffer entscheiden konnte. In der zweiten Reihe des Teams stehen mit den Verteidigern Eric Addo, Haminu Dramani sowie Samuel Inkoom bewährte Kräfte bereit, während Trainer Rajevac für den Angriff noch den Ex-Dortmunder Matthew Amoah in der Hinterhand hat.

Ghana ist in Südafrika erst zum zweiten Mal bei einer Fußballweltmeisterschaft dabei. In Deutschland scheiterte das Team 2006 im Achtelfinale mit 0:3 an Brasilien, bot in dieser Partie jedoch eine überaus respektable Leistung. Einzig im Abschluss machten sich eklatante Schwächen bemerkbar, während Brasilien aus zweieinhalb Chancen drei Tore fabrizierte. Zuvor hatten die „Black Stars“ gegen Italien 0:2, gegen Tschechien und die USA allerdings 2:0 bzw. 2:1 gespielt. In Südafrika, so Hans Sarpei im „Kicker Sonderheft“, will Ghana „Weltmeister werden“, denn: „Deshalb fahren wir doch dahin.“ Neutralere Beobachter sehen die Chancen für die Afrikaner eher skeptischer, denn Essiens Ausfall dürfte nicht so einfach zu verkraften sein.

Voraussichtliche Aufstellung: R. Kingson – Paintsil, Vorsah, John Mensah, Sarpei – K.-P. Boateng, Annah – Appiah, Muntari, Asamoah - Gyan

Ulrich Merk



Wenn meine Spieler auf dem Platz sterben müssen, um gegen Italien zu gewinnen, dann werden sie das tun.

— Luis Aragones, Nationaltrainer Spaniens, vor dem EM-Viertelfinale 2008 gegen Italien in Wien.