Griechenland: Vom Olymp zum Tafelberg

von Günther Jakobsen11:02 Uhr | 28.05.2010

„Damit ein solcher Erfolg gelingt, muss man schon die Götter auf seiner Seite haben“, ordnete Otto Rehhagel den sensationellen Europameisterschaftscoup der Griechen anno 2004 richtig ein. Den fußballerischen Gipfel bei der WM in Südafrika wird Griechenland aber nicht erklimmen. Es sei denn, die Bewohner des Olymps (in seiner Bedeutung als „Sitz der Götter“) würden sich herablassen, ihr Domizil für vier Wochen an den platten Tafelberg zu verlegen.

Otto Rehhagels Fähigkeit, erfolgreiche Mannschaften formen zu können - oft entgegen ringsum sich entwickelnden Trends - hat dem damaligen Überraschungs-Europameister Griechenland (2004) die zweite WM-Teilnahme nach 1994 beschert. Und dem 71-jährigen Trainer einen weiteren Höhepunkt seines erfolgreichen, rund um den Ball angelegten Karriereweges. Zu den Markenzeichen rehhagelschen Schaffens zählen eine betont auf Absicherung bedachte Spielweise seiner Teams (auch die „Kontrollierte Offensive“ basierte auf einer kompakten Deckung), sowie die Suche nach einer Stammformation, deren Halbwertzeit die üblichen Margen deutlich überschreitet. Derweil man andererorts permanent an der Verjüngung der Auswahlmannschaften feilt, neigt Rehhagel eher dazu, die Konkurrenzfähigkeit seiner Kicker bis zur Neige auszuschöpfen. Warnende, von Überalterung sprechende Stimmen weist der Coach zurück. Der Vorzug der Routine über das Experimentelle mag zum Teil auch mangelnden personellen Alternativen geschuldet sein. Es ist jedoch nicht zu bestreiten, dass Rehhagel - auch in seiner Bundesligazeit - Erfolge produzierte, die konkret seiner Philosophie zuzuschreiben sind.

Obwohl die Hellenen den treffsichersten Torschützen aller europäischen WM-Qualifikationsgruppen stellten - Theofanis Gekas brachte das Leder zehn Mal über die Linie - mussten sie als Gruppenzweiter nachsitzen (Gruppe 2, hinter der Schweiz). In der Relegation gegen die Ukraine präsentierten sie sich dann nervenstark. Dem torlosen Hinspiel in Athen folgte der 1:0-Erfolg in Donezk. Ein genialer Treffer entschied das Play-off. Samara hatte fast von der Mittellinie einen Steilpass ins Zentrum auf Salpingidis geschlagen, der durchstartete und das Leder flach ins linke Toreck platzierte. Diese Szene bestätigte die von Rehhagel verordnete Taktik: Hinten abriegeln, vorne zupacken sobald sich eine Lücke abzeichnet. Der knappe Vorsprung wurde eine Stunde lang sicher über die Zeit gebracht.

Was von den Griechen bei der WM zu erwarten ist? Zunächst einmal eine bessere Bilanz, als sie ihre 1994er-Teilnahme erbrachte (0 Punkte, 0:10 Tore). Argentiniens Ensemble kann Griechenland schwerlich auf Augenhöhe begegnen - wenn das letzte Gruppenspiel gegen Messi & Co. ansteht, sollte das Machbare in Gruppe B möglichst getan sein. Nominal erhöht sich der Schwierigkeitsgrad für Rehhagels Mannen: Mit Südkorea trifft man zunächst auf eine Auswahl, die man in Freundschaftsvergleichen jüngeren Datums zwar nicht bezwingen konnte (2006 ein 1:1 Remis/2007 eine 0:1-Niederlage), ein Sieg aber keine Überraschung darstellen würde. Gegen Nigeria muss die Favoritenrolle den Westafrikanern zugeschrieben werden, gegen Argentinien ganz klar den Südamerikanern. Unterm Strich dürfte es für Griechenland folglich schwer werden, das Achtelfinale zu erreichen.

Mit dem Erreichen der WM-Endrunde legte Rehhagels Team einen schönen Erfolg hin, der ihm allerdings zuzutrauen war. Wird es mehr, wird Zeus mal wieder fremdgegangen sein.

Mögliche Aufstellung: Tzorvas - Vyntra, Kyrgiakos, Moras, Spyropoulos - Tziolis, Katsouranis - Salpingidis, Karagounis, Gekas - Charisteas

André Schulin



Wir können Bayern nur schlagen oder gegen sie punkten, wenn sie am Mittwoch bei Real Madrid im Elfmeterschießen weiterkommen und vielleicht die Nacht durchfeiern und wir 200 Prozent anders spielen.

— Klaus Augenthaler