Die Erwartungen an die deutsche Elf für die WM sind groß. Man kann auch sagen: riesig. Große Teile der Fußballnation glauben daran, dass sich die Truppe von Jürgen Klinsmann bis ins Finale vorkämpft (mit Betonung auf kämpfen) und dort in einem dramatischen Spiel Weltmeister wird.
Dieser Glaube ist tief verankert, obwohl in jeder der letzten Partien unserer Elf haarsträubende Defizite in der Abwehr zum Vorschein traten, und man die Mannschaft insgesamt nicht gerade als technisch brillant bezeichnen kann. Egal. Lieber mit dem guten alten Rumpelfußball gewinnen, als mit Ballgezauber untergehen (siehe Oranje bei allen großen Turnieren).
Damit die deutsche Elf nach den besonders enttäuschenden Spielen gegen die Türkei (unterirdisch) und China (gewollt, aber nicht gekonnt) wieder "Selbstvertrauen gewinnt", wie der Fußballer immer so schön sagt, muss ein Sieg gegen eine große Fußballnation her. Und da kommt Frankreich gerade recht. 14 Spiele in Folge hat die deutsche Mannschaft nicht mehr gegen einen Großen des Weltfußballs gewonnen. Der letzte Sieg dieser Kategorie gelang am 7. Oktober 2000. Man gewann 1:0 gegen England im Wembleystadion. Danach hagelte es Niederlagen, wenn es hieß: Wir spielen gegen einen Großen. In 14 Spielen verloren die Deutschen zehn Mal. Die Tordifferenz: 13:30. Richtig weh tat das WM-Qualifikations-Spiel am 1. September 2001: England gewann in München mit 5:1. Auch das letzte Spiel gegen die Franzosen vor zwei Jahren endete mit 0:3 recht eindeutig.
Doch nun schreiben wir das Jahr 2005. Die WM im eigenen Land steht bevor, und deshalb hat der Deutsche gefälligst an den Erfolg unserer Elf zu glauben. Bastian Schweinsteiger geht mit gutem Beispiel voran. Er ist offensichtlich davon überzeugt, dass seine Teamkollegen und er am Samstag gegen die Franzosen gewinnen. Ansonsten hätte er bestimmt nicht mit Bayern-Mitspieler Willy Sagnol, der bekanntlich Franzose ist, gewettet. Verliert Schweinsteiger mit den Deutschen, muss er bei seinem anderen französischen Bayern-Teamkollegen Bixente Lizarazu eine Surfstunde nehmen und bezahlen. Bastian Schweinsteiger auf einem Surfbrett - nun ja. Die Vorstellung eines melkenden Willy Sagnol ist jedoch weitaus grotesker. Er muss, sollte Frankreich verlieren, auf der Wiese hinter dem Fußballplatz in Schweinsteigers Heimatort Oberaudorf die Kühe melken. Somit wird zumindest Sagnol einen Sieg der deutschen Elf mit aller Kraft zu verhindern suchen.
Wir malen uns aus, was dann passieren könnte: Deutschland verliert also am Samstag unter anderem wegen Sagnols unermesslichen Einsatzes gegen Frankreich. Anstatt Selbstvertrauen zu gewinnen, verliert unsere Elf selbiges und patzt deshalb in allen weiteren Vorbereitungsspielen. Bei der WM ist dann in der Vorrunde Endstation. Eine ehemals große Fußballnation trauert. Und alles nur wegen einer scheinbar harmlosen Wette zwischen zwei unbedachten Fußballern.
Alexandra Stober
Wenn ich du wäre, wäre ich lieber ich.
— Ansgar Brinkmann