Hertha BSC Berlin vor der Saison 2002/2003

von Günther Jakobsen22:42 Uhr | 03.08.2002

Nur weil die „Alte Dame“ den Ligapokal wie im letzten Jahr souverän gewann, braucht sich nicht der verpatzte Saisonstart der letzten Spielzeit wiederholen – auch wenn einige Kommentatoren in diesem Sinne unkten. Es hat sich über das Jahr hinweg einfach zuviel im Team und drum herum geändert.

Die letzte Saison…
…startete Hertha zwar durchwachsen bis mies, aber nicht katastrophal – schließlich wusste das Team durch den Ligapokal-Sieg, dass es richtig guten Fußball zelebrieren konnte. Es dauerte allerdings bis zum 10. Spieltag, ehe das vorhandene Potential zumindest soweit abgerufen werden konnte, dass eine Serie von neun Spielen ohne Niederlage (inkl. zweier 2:1-Erfolge gegen Bayern und Bayer) Anlass zu Hoffnung gab. Doch nach drei anschließenden, sieglosen Begegnungen wurde der bereits aufs Heftigste angesägte Stuhl von Coach Jürgen Röber endgültig weggezogen. Co-Trainer Falko Götz als Nachfolger wurde zum „Winner“ der Restspielzeit. Mit seiner ganz eigenen Ansprache holte er die hochbezahlten Kicker aus ihrer wankelmütigen Lethargie heraus und legte einen bundesligaweit bewunderten Umschwung plus sieben unbesiegter Partien hintereinander hin. Doch die Hertha-Verantwortlichen hatten bereits frühzeitig die Fühler nach Huub Stevens ausgestreckt und dachten nicht daran, die erfolgreiche Arbeit von Götz mit dem Cheftrainerposten zu belohnen. Mittlerweile scheint die allseits gelobte Hertha-Aushilfe einer der Kandidaten für den ersten frei werdenden Trainer-Posten der neuen Spielzeit zu sein. Seine Arbeit hinterließ auf jeden Fall wichtige Spuren:

Während für Sebastian Deisler und Marko Rehmer in der Vorsaison verletzungsbedingt wenig lief, konnten sich die Brasilianer Marcelinho und Alves (blühte unter Götz auf), die lange Zeit glücklosen Simunic und Beinlich, sowie die Nachwuchskräfte Lapaczinski und Maas in den Vordergrund spielen. Auswirkungen, die ohne diesen Trainerwechsel nicht denkbar gewesen wären.

Die Neuen und der Kader
Mit dem 23-jährigen Arne Friedrich von Arminia Bielefeld wurde ein talentierter Abwehrorganisator verpflichtet, der in der Vorbereitung seinen Stammplatz rechtfertigte. Das aktuelle Verletzungspech mit Rehmer, van Burik und Lapaczinski machte die geräuschlose Integration Friedrichs umso wichtiger. Der kroatische Manndecker Josip Simunic ist nach der letzten, starken Saison ebenfalls gesetzt. Im Mittelfeld Herthas dagegen droht, trotz des Deisler-Abgangs, personell derzeit kein Engpass – zumindest in der ersten Reihe. Der Pole Bartosz Karwan überzeugte auf der rechten Seite, Torben Marx bestätigte das in ihn gesetzte Vertrauen und Marcelinho ist schlichtweg einer der überragensten Bundesligaspieler. Sollte er ausfallen, käme das allerdings einem riesigen Bruch im Berliner Leistungsgefüge gleich. Durch den aktuell verpflichteten Weltmeister-Reservisten Luizao aus Brasilien (er war einige Monate im Gespräch, versuchte wohl noch eine größere Nummer abzuschließen und landete erst nach der für ihn eher nicht so erfolgreichen WM bei der Hertha) gibt es nun wenigstens eine Alternative für Preetz und Alves, die sich bereits konkurrenzlos wähnten.

Viele Unbekannte
Mit Huub Stevens hat Hertha einen akribischen, teils verbissen arbeitenden Coach an die Spree geholt, der ambitioniert ist, Visionen (in Form von Titel), aber keine Innovationen auf dem Plan hat. Viel wird vom Start abhängen und den ersten beiden Auswärtsspielen in Dortmund und Schalke. Auch die beiden Heimspiele gegen die Mittelklasse-Teams von Stuttgart und Gladbach sind noch nicht gewonnen. Ein gefährliches Programm mit einer dezimierten Abwehr, das auch „in die Büchs“ gehen kann. Sollte sich die Stevens-Elf in diesen vier Spielen durchsetzen, kann Hertha für die Favoriten richtig gefährlich werden. Verletzungspech darf jedoch nicht hinzukommen, denn die zweite Garnitur hinter Marcelinho & Co. hält einen Vergleich mit der Liga-Konkurrenz nicht stand.

Franz Heck

Die Hertha BSC Berlin-Daten



Ich kann nicht jeden, der nicht spielt, nuckeln und ihn schaukeln.

— Reiner Calmund über Stürmer Erik Meijer, der einen Stammplatz forderte