Ein gemütlicher Ausflug wurde das Rückspiel in Istanbul wie erwartet nicht. Doch die Hamburger Notelf bewies mächtigen Schneid, nahm selbst einen 0:2-Rückstand nüchtern zur Kenntnis und hackte so lange gezielt auf den Gegner ein, bis die Begegnung sogar komplett gedreht war. Mit einem triumphalen Auswärtssieg zog die Jol-Elf damit doch noch in die Runde der letzten Acht ein und tanzt auch weiterhin auf sämtlichen Hochzeiten.
Von der berüchtigten Giftigkeit und Leidenschaft der Türken war in der ersten Halbzeit noch wenig zu spüren. Statt dessen sprühte das Feuer allein auf den Rängen, wo fast 90 Minuten lang bengalische Feuer abgebrannt wurden. Der HSV verkaufte sich gut in dieser Phase und war nicht nur versteift, Galatasaray nicht ins Spiel kommen zu lassen, sondern verzeichnete selbst sogar die allerersten Chancen. Beiden Kopfbällen von Olic (5./10.) fehlte es allerdings an Präzision. Auf Seiten der Heimelf machte sich leichte Verunsicherung breit, je länger und sicherer die Jol-Elf, der etliche Stammkräfte fehlten, die Begegnung kontrollierte. Die Hanseaten suchten mutig nach Wegen zum Tor, und Istanbul lag auf der Dauer. Völlig unerwartet schnappten die Türken dann plötzlich zu, als Baros dem unbeweglichen Boateng davoneilen konnte und gerade im Sechzehner war, als der Hamburger ihn plump von den Beinen holte. Den fälligen Strafstoß versenkte Kewell sicher zum 1:0 und gab zu einem sensiblen Zeitpunkt der Partie damit eine Wende (42.).
Denn der Treffer wirkte trotz der Halbzeitpause nach. Die alte Milchmädchenrechnung, wonach sich für den HSV, da er ohnehin ein Tor erzielen musste, nichts verändert hätte, ging vorerst nicht auf. Statt dessen überrumpelte Galatasaray die nun doch beeindruckten Gäste im Tiefschlaf und erzielte gleich mit seiner zweiten Torchance das scheinbar entscheidende 2:0: Arda löffelte den Ball aus 18 Metern in den Lauf von Milan Baros, der gleichermaßen elegant Frank Rost mit einem Lupfer bezwang (48.). Das Weiterkommen der Türken schien damit besiegelt, zumal Baros seinen starken Auftritt auch direkt mit dem 3:0 hätte aufhübschen können (55.). Plötzlich aber drehte der Wind sich zurück. Mit einem wütenden Schuss aus 20 Metern traf Paulo Guerrero recht überraschend zum Hamburger Anschluss (57.), was die Heimelf zur Kenntnis, aber nicht weiter ernst nahm. Doch dann trat Guerrero erneut auf den Plan, kam zentral vor dem Tor an den Ball und wuselte sich an mehreren Gegnern vorbei schrägrechts durch den Strafraum. Frei vor de Sanctis schoss der Peruaner stramm unter die Latte und stellte binnen vier Minuten so wahrhaftig den 2:2-Ausgleich her. Nun wurde die Partie erst recht interessant. Zum ersten Mal überhaupt gab Galatasaray nach allen Kräften Gas, fand in der stabilen Hamburger Abwehr aber kaum eine Lücke. Der HSV wiederum tat nun alles dafür, dass die Tür zum Viertelfinale nicht wieder zufiel. Mit Erfolg: Jarolim (82.), Pitroipa (83.) und Olic (85.) vergaben nacheinander schon eine ehere Entscheidung, bevor erneut Ivica Olic dann in der Schlussminute frei vor dem Tor stand und per Lupfer sogar noch den 3:2-Siegtreffer schoss. Anders als am Vorabend Bremen, das aus Gleichgültigkeit einen Sieg noch verschenkt hatte, sammelte der HSV so auch noch wichtige Punkte für die Fünfjahreswertung ein und fand nach einer gewaltigen Energieleistung schließlich doch noch ins Ziel. Als einziges Team aus der Bundesliga darf die Jol-Elf damit weiterhin von drei verschiedenen Titeln träumen.
Maik Großmann
Es ist ein schöner Abend, toll, aber wir müssen es jetzt nicht überbewerten.
— Freiburgs Trainer Christian Streich nach dem ersten Auswärtssieg bei Bayern München...