Fans der zweiten Bundesliga dürfen eine hochspannende Saison erwarten. Die Auf- sowie Absteiger versprechen Fußball auf hohem Niveau und komplettieren ein Feld von Vereinen, die sich längerfristig in der höchsten deutschen Spielklasse sehen. Zahlreiche Traditionsvereine bringen eine ausgeprägte Fankultur mit, was zwar einerseits für Spannungen sorgt, sich andererseits jedoch auch in höheren Zuschauerzahlen und engagierten Duellen ausdrücken kann.
Nur äußerst knapp scheiterte der VfL Bochum in der abgelaufenen Saison am Aufstieg, der Ex-Bundesligist verlor die Relegation. Das Ziel des VfL ist somit auch für dieses Spieljahr klar: Zurück in die Bundesliga. Wenn die Bochumer diesmal die Nerven behalten, ein durchaus mögliches Unterfangen. Konkurrenz bekommen sie vor allem vom Bundesligaabsteiger Eintracht Frankfurt und dem finanziell und sportlich wieder erstarktem TSV 1860 München. Die Hessen haben nach der Ära Daum viele Spieler abgegeben und die entstandenen Lücken mit zweitligaerfahrenen Akteuren gefüllt. Mit Armin Veh als neuem Trainer will man mit aller Macht sofort zurück in die Bundesliga. Diese Hoffnungen hegt man auch in München. Der vor kurzem noch vor dem Konkurs stehende Traditionsverein tritt mit neuem Investor und neuem Selbstbewusstsein an und kann sich nach dem abgewandten Konkurs wieder allein auf den Fußball konzentrieren. Ein starker Kader lässt den Schluss zu, dass mit 1860 im Aufstiegskampf zu rechnen sein muss.
Auch der MSV Duisburg hat ordentlich aufgerüstet und will oben mitspielen. Der Pokalfinalist der letzten Saison hat zwar die Abgänge von wichtigen Spielern wie Banovic und Maierhofer zu verkraften, mit Einkäufen von Domovchiyski (Hertha BSC), Vasileios Pliatsikas (FC Schalke) und Jürgen Gjasula (FSV Frankfurt), um nur einige zu nennen, dürfte dieser Verlust aber zu kompensieren sein. Ebenfalls nur knapp verpasste – wie üblich - die SpVgg Greuther Fürth den Aufstieg, bzw. die Relegation, weshalb dieses Jahr selbstredend ein neuer Anlauf gestartet werden soll. Mit Occean (Kickers Offenbach) kam einer der Top-Stürmer der dritten Liga, er schürt Hoffnungen auf ein Ende er Offensivmisere der letzten Saison, die die starke Fürther Defensive ein ums andere Mal um die Früchte ihrer Arbeit gebracht hatte. Oben mitreden will auch der FC St. Pauli. Nach seinem einjährigen Intermezzo in Liga Eins muss der Kiezklub allerdings mit den üblichen Abgängen klarkommen, die ein Abstieg mit sich bringt, unter anderem dem Wechsel von Kulttrainer Stanislawski nach Hoffenheim.
Nach dem Abgang ihres Torschützenkönigs Petersen zum FC Bayern und ohne adäquaten Ersatz wird es Energie Cottbus schwer haben, ins Aufstiegsrennen einzugreifen (auch wenn zum Start ein Erfolg gegen Aufsteiger Dresden gelang); vergleichbar mit dem FC Erzgebirge Aue, der seinen Kader, abgesehen von Stürmer Ronny König, ebenfalls nicht spektakulär erweitert hat. Beide Teams wollen über die mannschaftliche Geschlossenheit zum Erfolg kommen. Bei Alemannia Aachen fand in der Sommerpause ein Umbruch statt. Viele junge Spieler wurden an den Tivoli gelotst, die sich mit dem Zweitligaalltag erst einmal zurecht finden müssen. Fortuna Düsseldorf will zwar wieder angreifen, es fehlt jedoch auch diese Saison wieder an starken Einzelspielern, die ein Spiel auch mal allein entscheiden können. Union Berlin hat vor allem in der Offensive zugelegt und mit Silvio und Terodde ein potenzielles Traumduo eingekauft. Mit dem Abgang vom defensiven Peitz ist die wacklige Abwehr allerdings nicht sicherer geworden, was es den Berlinern schwer machen wird, mehr als einen Mittelfeldplatz zu erreichen.
Der FSV Frankfurt muss versuchen, die Abschiede von Leistungsträgern wie Gjasula (MSV Duisburg) und Mölders (FC Augsburg) zu kompensieren, Karim Benyamina soll hierbei helfen. Nach einer Saison, die sich so wohl keiner vorgestellt hatte, muss der Karlsruher SC praktisch neu anfangen und lebt davon, den Abstieg vermieden zu haben. Bei 17 Abgängen und elf neuen Spielern wird der KSC erst einmal damit beschäftigt sein, sich als Mannschaft zu finden. Schwer wird es auch der SC Paderborn haben, der in der vergangenen Saison lange im Kreis der abstiegsbedrohten Teams zu finden war. Der SC muss seine Abschluss- und Auswärtsschwäche abstellen, ob dies nach den Abgängen von Kapllani und Raitala gelingt, bleibt abzuwarten. Ähnlich geht es dem FC Ingolstadt. Das Team von Trainer Benno Möhlmann ist zwar zum Großteil zusammengeblieben, es mangelt jedoch an offensiver Durchschlagskraft und einer sattelfesten Abwehr.
Mit Dynamo Dresden, Hansa Rostock und Eintracht Braunschweig kommen drei Vereine aus der 3. Liga hinzu, die einiges an Tradition mitbringen. Rostock und Braunschweig haben die Liga praktisch nach Belieben dominiert, Dresden schaffte den Aufstieg in der Relegation. Den wohl spektakulärsten Transfer hat die Hansa getätigt. Mit Marek Mintal wurde eine Sturmhoffnung verpflichtet - ob der allerdings ausreicht, um die Offensive auf Zweitliganiveau zu heben, wird sich nach dessen zuletzt in der Bundesliga gezeigten Leistungen erst noch erweisen müssen. Dresden hat sich in fast allen Mannschaftsteilen verstärkt, doch auch Dynamo fehlt es an Durchschlagskraft im Sturm. Braunschweig setzt auf den Kader, der in der dritten Liga so stark aufgetreten war und hat diesen lediglich durch einige Nachwuchskräfte erweitert. Alle drei Aufsteiger werden sich an das höhere Niveau der zweiten Liga gewöhnen müssen, Ziel ist für alle der Klassenerhalt.
Vorsicht ist geboten in der neuen Zweitligasaison. Vorsicht davor, Favoriten zu überschätzen und vermeintliche Underdogs nicht ernst zu nehmen. Vorsicht vor gewaltbereiten Fans, die leider Teil jeder größeren und engagierten Anhängerschaft sind. Vorsicht aber auch davor, die gesamte Liga als minderwertig zu betrachten, zu viel Potenzial steckt in der diesjährigen Zusammenstellung.
Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, was Druck von außen mit Mannschaften anstellen kann. Nun ist Eintracht Frankfurt als klarer Favorit dazu verpflichtet, den direkten Wiederaufstieg zu schaffen, was ein Team einerseits Selbstvertrauen gibt, andererseits jedoch auch lähmen kann. Vor allem die Vereine, die von ihren Fans immer wieder nach vorne getrieben werden (Dresden, Rostock, St. Pauli,...), können zu einem Stolperstein werden, mit dem sich die Aufstiegsaspiranten aus Bochum und München erst einmal zurecht finden müssen. Vor allem bei den „Kleinen“ herrscht ein großer Zusammenhalt zwischen dem Team und dem Umfeld, 12.500 verkaufte Dauerkarten in Braunschweig sprechen hier eine deutliche Sprache.
Bei allen positiven Aspekten, die eine engagierte Anhängerschaft mit sich bringt, gibt es leider überall immer wieder gewaltbereite Fans. So bringen bekanntermaßen auch die Aufsteiger aus Braunschweig, Dresden und Rostock eine eigenwillige, oft von der Überzahl der Fans völlig losgelöste, meist stocknüchterne (denn der „Besoffene“ keilt schließlich schlechter) Szene in die bereits hier und dort ähnlich strukturierte Fangemeinde mit, die der reinen Provokation frönt und mit strategischen Mitteln den gezielten Zoff sucht. Übrigens meist bestens organisiert. Auch bei Union, Cottbus und Frankfurt müssen die Sicherheitskräfte in besonderer Alarmbereitschaft sein. Konzentrieren sich die Fanaktionen auf die Unterstützung des eigenen Teams und lenken nicht vom Spielgeschehen ab, dürfte sich eine spannende Zweitligasaison entwickeln.
Einige Traditionsvereine sind zu alter Stärke gelangt oder sind zumindest auf dem Weg dahin, es können also viele alte Fehden ausgefochten werden, an denen auch der neutrale Zuschauer seine Freude haben wird. Die zweite Bundesliga ist längst kein Auffangbecken für ausgediente Bundesligaspieler mehr; viele Vereine setzen auf junge talentierte Spieler und bieten diesen einen hochwertigen Einstieg in den Profifußball. An die Finanzkraft der Bundesliga kommt die zweite Liga natürlich nicht heran, was sie attraktiv macht, ist die Möglichkeit, sich auf nationaler Ebene zu präsentieren und sich auf einem auch spielerisch immer besser werdenden Level für die „großen“ Vereine anzubieten.
Alles in allem kann sich der Fußballfan wohl auf eine äußerst spannende Zweitligaspielzeit freuen, geprägt von Leidenschaft und Emotion und sicherlich einigen Überraschungen.
Lisa Ramdor/Ulrich Merk
Halten Sie die Luft an, und vergessen Sie das Atmen nicht.
— Johannes B. Kerner