Das erste Spiel, dass bei dieser EM in die Verlängerung musste, entschieden die Italiener am Ende per Elfmeterschießen gegen die Engländer für sich. Die deutlich überlegenen Azzurri hätten die Partie vorher allerdings längst klarmachen müssen, hatten das größere Chancenplus und wesentlich mehr Ballbesitz. Die Briten bauten besonders in der Verlängerung stark ab.
In den ersten Minuten ließen die Italiener den Ball durch die eigenen Reihen rochieren, ehe de Rossi plötzlich aus dreißig Metern abzog und den linken Pfosten traf (3.). England stand mit seinen beiden Viererketten kompakt, kam aber auch plötzlich vors Tor, doch Verteidiger Johnson scheiterte am reaktionsschnellen Buffon, der den Ball im Nachfassen sicherte (5.). Nach diesen beiden Großchancen verteilten sich die Spielanteile besser und das Tempo zog an. Welbeck (11., kam im Fünfer etwas zu spät) und ein Parker-Fernschuss (13., weit vorbei) sowie ein Flugkopfball Rooneys (14.) belegten stärker aufkommende Briten, die nach anfänglichem Abwarten gut nach vorne arbeiteten. Doch nach einer Viertelstunde war Italien wieder besser im Spiel, die letzten Pässe kamen am gegnerischen 16er aber zu ungenau. In der 25. Minute hatte Balotelli plötzlich freie Fahrt durch die Zentrale, doch Terry blockte mit großem Einsatz. Oft suchten die Teams aber den Weg über die Außen, die Flanken wurden allerdings meist eine Beute der Abwehrspieler. Erneut bekam Balotelli nach 32 Minuten eine Abschlusschance, doch Keeper Hart blieb ohne Probleme. Gegenüber kombinierten sich Welbeck mit Rooney durch, schlenzte die Kugel jedoch deutlich und hoch rechts vorbei (33.). Aber immerhin: für Abwechslung sorgten beide Mannschaften, auch wenn sie im Abschluss zu harmlos waren. Ausnahmen vor der Pause nur noch von den Azzurri: Cassano aus 20 Metern (38.), doch Hart war im Nachfassen zur Stelle und Balotelli, der zuerst den Ball nach Cassanos Ablage übers Tor bugsierte (41.), danach mit einem Gewaltschuss den Kasten verfehlte (43.). Italien hatte letztlich mehr Vorteile, war etwas dichter an der Führung.
Das 0:0 war für England nach 48 Minuten aber doch langsam schmeichelhaft, nachdem de Rossi frei vorm Tor daneben schoss. Im Mittelfeld war Italien durch Pirlo, Montolivo und de Rossi weiterhin präsenter. Eine Triple-Chance für de Rossi, Balotelli und Montelivio folgte (52., zweimal hielt Hart, Montolivo schoss abschließend über die Latte). Entlastung für England gelang seltener, Hodgsons Männer waren mit der Deckungsarbeit gut ausgelastet. Einen Balotelli-Fallrückzieher konnten sie allerdings nicht verhindern (60., knapp drüber). Über die zwei neu eingewechselten Walcott und Carroll kam andererseits Young plötzlich zum Schuss, doch der Ball wurde gerade noch zur Ecke abgelenkt (65.). Erst elf Minuten später ein neuer Aufreger, doch Rooney kam nicht an eine Gerrard-Freistoßflanke, dafür Buffon (77.). Zuvor und danach hatte die Prandelli-Elf dominiert, war aber immer wieder am englischen Riegel abgeprallt. Zudem war Hart bei Distanzschüssen (81., Diamanti) immer rechtzeitig unten. Einmal musste Johnson noch gegen Nocerino klären (89.) und auch Rooney versuchte vergeblich einen erfolgreichen Fallrückzieher in der Nachspielzeit, dann ging es in die erste Verlängerung dieser EM.
Am Spielverlauf änderte sich zunächst wenig, auch wenn die Engländer wieder mehr wagten, in den Strafräumen lief wenig und die italienischen Fernschüsse strahlten kaum Gefahr aus. Dafür landete eine Diamanti-Flanke überraschend am linken Pfosten (101.), doch vor der zweiten Halbzeit der Extrazeit war immer noch kein Tor gefallen. Italien drängte auch in der letzten Viertelstunde England tief zurück, vergab durch Diamanti einmal mehr eine gute Möglichkeit (113.) und köpfte durch Nocerino noch ein Abseitstor (115.), doch Zählbares sprang in der einseitigen Verlängerung nicht mehr heraus. So ging es ins Elfmeterschießen.
Zuerst sah es gut für die Three Lions aus, denn Gerrard und Rooney verwandelten, während bei Italien nur Balotelli traf, Montolivo jedoch am Tor vorbei schoss. Dann aber verschossen die Engländer Young und Cole, während Pirlo (per Schlenzer), Nocerino und Diamanti den Halbfinaleinzug für Italien perfekt machten. Letztlich ein verdienter Sieger.
Ulrich Merk
Rudi Assauer und ich mussten mit schusssicheren Westen auf der Bank sitzen.
— Schalkes Jahrhundert-Trainer Huub Stevens über die Zeit nach dem UEFA-Cup-Sieg.