Keine Genesung in Sicht

von Günther Jakobsen14:25 Uhr | 24.11.2005

Es mag den Anhänger von Bielefeld oder Nürnberg erschüttern, aber auch wir Werder-Fans haben Kummer. Sicher, die schlimmen Zeiten sind vorbei, als ein Dixie Dörner allwöchentlich ins Mikro seufzte: „Ja, ich bin natürlich enttäuscht.“ Als wir im Sturm mit Seidel und Weetendorf besetzt waren oder als Felix Magath die gerade entdeckten Talente wie Frings, Rost und Wicky verscherbeln wollte. Als es einfach nicht vorwärts ging in Bremen, als wir im Mittelmaß versanken und ein 0:0 in Stuttgart wie einen Sieg feierten.

Eine Gänsehaut hatten wir, jedes Mal wenn das Werder-Lied im Radio an alte Zeiten erinnerte und Mut machte mit der Zeile „Das ist alles lang her, doch bald sind wir wieder Wer...“ Und tatsächlich. Plötzlich waren wir wirklich wieder Wer. Wie aus dem Nichts waren wir wieder da, sind mit traumhaftem Fußball Deutscher Meister geworden und haben das noch viel größere Wunder geschafft, im Folgejahr wieder in die Champions League zu kommen. Richtige Stars haben wir jetzt, Werder ist der Freudenspender der Liga und Mannschaften wie Lautern und Wolfsburg werden aus dem Stadion geschnipst wie aus dem Ohr gepopelt.

Und trotzdem. In dieser Mannschaft steckt noch ein gewaltig fetter Wurm. Ausnahmslos jeder Gegner dieser Spielzeit wurde freundlichst zum Toreschießen eingeladen. Das war gegen Bielefeld so, gegen Nürnberg, gegen Gladbach, gegen Frankfurt und gegen alle anderen auch. Meist wurden diese Teams zwar zertrümmert. Aber sie alle standen regelmäßig frei vor Reinke, wenn mal wieder nur ein Pass genügte, um Werders Abwehr bloßzustellen. Spätestens in der Allianz Arena haben wir gesehen, dass es im Grunde wieder ist wie damals, als es nicht vorwärts ging und keine Hoffnung auf Besserung in Sicht war. Borowski, Micoud und Klose haben sich die Seele aus dem Leib gekämpft in München, aber kaum machte Bayern einmal Ernst, hatten sie auch wenig Mühe, Werder einen einzuschenken. Das gleiche Bild in Barcelona. Werder hat sich tapfer geschlagen, hat vorn um jeden Meter gekämpft und keinen Ball verloren gegeben. Aber schon nach einer Minute hätte Barca führen können, weil wieder ein kluger Pass reichte, um mutterseelenallein vor dem Tor zu stehen. Für keine Mannschaft der Welt ist es eine Schande, gegen Barca zu verlieren (außer vielleicht für Real), aber als Werder Bremen möchte man bitte unglücklich verlieren und nicht durch Tore, für die sich der Gegner nicht mal anstrengen muss.

Leider ist keine Besserung in Sicht. Auch in den nächsten Wochen wird Werder die Kleinen in Einzelteile zerlegen und gegen die Großen die Hütte voll bekommen. Denn völlig ohne jede Not ist Werder ohne Abwehr in die Saison gestartet. Säckeweise wurde Geld verdient im letzten Jahr und auch mit Ismael war die Abwehr doch schon marode. Dann hat man den Besten ziehen und sich mit Frings trösten lassen, was sicher Sinn machte. Aber was bringt es der Defensive? Ein 22-jähriger Brasilianer kann diese Lücke kaum schließen, Fahrenhorst hatte seine Untauglichkeit auch schon hinlänglich beweisen, dass Owomoyela Schwächen in der Rückwärtsbewegung hat, wusste jeder. Und Schulz auf dem linken Flügel würde nicht als bundesligatauglich gelten, hätte er einen rechten statt einem linken Fuß. Selbst, wenn Davala und van Damme wieder fit werden, sind sie zu schlecht für diese Mannschaft. Spielern wie Stalteri und Magnin wird nachgetrauert, das sagt viel aus. Kurzum, die Viererkette muss unbedingt in der Winterpause verstärkt werden, wenn es weiter voran gehen soll. Mancher Werder-Fan möchte schon lieber im UEFA-Cup überwintern als in der Königsklasse, um kein zweites Lyon zu erleben. Denn damals wie heute seufzt Schaaf doch auch nur einen Satz ins Mikro: „In der Abwehr haben wir uns nicht gut präsentiert.“

Maik Großmann



Thomas Müller spielt bei mir immer.

— Bayern-Trainer Aloysius Paulus Maria van Gaal.