Klinsmann wahrt sein Gesicht

von Günther Jakobsen11:15 Uhr | 08.04.2006

Nun ist die Katze also aus dem Sack, obwohl das Ergebnis eher ein dicker Hund ist. Nicht Olli Kahn, sondern Jens Lehmann wird das deutsche WM-Tor hüten – eine Entscheidung, die wie eine Bombe in die Republik eingeschlagen ist und eigentlich doch nicht überraschen darf. Bei näherer Betrachtung nämlich hatte Jürgen Klinsmann kaum eine andere Wahl.

„Klinsi killt King Kahn“, findet die BILD-Zeitung und äußert damit wie immer subtile Kritik an einer Maßnahme des Bundestrainers sowie an seiner Person per se. Damit hatte man rechnen dürfen, denn um das Verhältnis zwischen Klinsmann und der BILD weiß ein jeder – genau so, wie nun sonnenklar ist, was in den kommenden Wochen auf den Bundestrainer einprasseln wird. Allein daher erfordert diese Entscheidung Respekt. Deutschlands Boulevard ist seit Beginn der Klinsmann-Ära niemals müde geworden, Stimmung gegen den Schwaben zu machen und damit an der eigenen Machtstellung im deutschen Fußball festzuhalten. Klinsmann trotzte all dem. Er enthob Kahn des Kapitänsamtes, um Lehmann die Fußfesseln zu nehmen. Verkrustete Strukturen a la Sepp Maier wurden aufgebrochen, ebenfalls des fairen Wettkampfes wegen. Kahn sei die Nummer 1A und Lehmann habe als 1B die Chance, vorbeizuziehen, hieß es. Oberste Kriterien seien die sportliche Leistung sowie das soziale Verhalten innerhalb der Mannschaft.
Letzteres kann die Öffentlichkeit nicht abschließend beurteilen. Wenn es aber wirklich so war, dass die Form der letzten anderthalb Jahre entschied, musste sich Klinsmann für Lehmann entscheiden. Dass Arsenal im Champions League Halbfinale steht und Bayern nicht, kann man Olli Kahn nicht vorwerfen. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass man Kahn das Alter von 36 Jahren inzwischen deutlicher und vor allem häufiger anmerkt als seinem Rivalen. Kahn hielt in der zu bewertenden Periode immer noch ordentlich, aber nicht selten patzte er auch. Besonders zuletzt war die Form absteigend. Bei Jens Lehmann war es genau andersherum. Wegen einiger Fehler war er in London zwischenzeitlich nur noch zweiter Mann. Doch er kam zurück und hielt seit dem überragend, stellte mit Arsenal Rekorde auf und misst sich regelmäßig auf höchstem Niveau. Lehmanns Form ist konstant bis aufsteigend; Fehlgriffe hat es schon länger nicht mehr gegeben, wobei man sicher sein kann, dass die BILD sie den Deutschen unter die Nasen gerieben hätte.
Nun kann man Klinsmann vorwerfen, dass er ohnehin gern gegen den Strich bürstet, dass die Entscheidung für ihn längst feststand und er sie zu diesem Zeitpunkt am besten verkaufen kann, zumal es die Bayern waren, welche die längst ermüdende Diskussion dringend beendet wissen wollten. Andersherum aber hätte ein Urteil pro Kahn nicht logisch begründet werden können, auch wenn Leute wie René C. Jäggi noch immer heranziehen, „was Olli Kahn doch für den deutschen Fußball geleistet“ habe. Zum Glück hat Klinsmann das außen vor gelassen, denn das würde einen Ronaldinho vor dem Tor auch nicht mehr beeindrucken.
Klinsmann wählte den unbequemen Weg, aber den richtigen. Noch mehr als ohnehin hat er die mächtigen Bayern nun gegen sich. Aber der Preis ist akzeptabel, denn so konnte der Bundestrainer auch sein Gesicht wahren. Die BILD-Zeitung hätte er nämlich auch sonst gegen sich gehabt, nur dass die Schlagzeile dann gelautet hätte: „Klinsi kuscht vor dem Kaiser“.

Maik Großmann



Kadlec, Roos und Ritter sind liebe, nette Schwiegersöhne. Aber mit ihnen kommen wir nicht in den UEFA-Cup.

— Friedel Rausch, Trainer des 1. FC Kaiserslautern, in der Saison 1993/94. Der FCK wurde Vizemeister...