Knapp hinter der Spitze

von Günther Jakobsen15:04 Uhr | 07.07.2006

In die erste Reihe der Titelanwärter war Portugal vor der WM nicht gesetzt worden; eher knapp dahinter. Und genauso sollte das Scolari-Team abschneiden: Stark genug für das Spiel um Platz drei - dank einer schwer zu knackenden Defensivabteilung - aber ohne den entscheidenden Kick, der das Außergewöhnliche ermöglicht. Mit einem Erfolg gegen die deutsche Elf könnte Portugal sein bislang bestes WM-Abschneiden, ein dritter Platz 1966 in England, wiederholen.

Souverän in den Gruppenspielen
Ein relativ leichter 1:0-Sieg gegen unfertige Angolaner, eine Leistungssteigerung gegen den Iran (2:0) sowie ein routiniert herausgespielter 2:1-Erfolg über Mexiko - Portugal, der Vizeeuropameister, war seiner Favoritenstellung in der Gruppe D gerecht geworden. Das Team von Luiz Felipe Scolari konnte es sich im abschließenden Spiel gegen Mexiko sogar leisten, die von einer Gelb-Rot-Sperre bedrohten Schlüsselspieler auf der Bank zu lassen, um deren Achtelfinaleinsatz nicht zu gefährden. Dort wartete mit den Niederlanden ein ganz anderes Kaliber auf die Südeuropäer. Doch sollte dieses Spiel weniger wegen seines sportlichen Wertes in Erinnerung bleiben: Vier Platzverweise und eine Schwemme Gelber Karten spülten den Spielfluss hinweg. Eine Vielzahl weiterer, unsportlicher Einlagen von beiden Seiten blieb ungeahndet. Portugal ging dank eines frühen Treffers von Maniche (23.) als Sieger aus dem Skandalspiel hervor; außerdem konnte sich das Team auf Schlussmann Ricardo verlassen.

Vorne hilflos
Das Viertelfinale gegen England blieb auch nicht ohne unerfreuliche Begleitmusik. So versäumten es die Portugiesen, aus ihrer Überzahl (62., Rot für Rooney) Kapital zu schlagen und noch während der regulären Spielzeit, bzw. der Verlängerung, die Entscheidung herbei zuführen. Abschließend machte sich jedoch Ricardo daran, das ohnehin schon belastete Weltbild der Briten vom Elfmeterschießen zur Katastrophendisziplin zu erhöhen: Drei Schüsse (von Lampard, Gerrard und Carragher) fischte der Keeper von Sporting Lissabon weg. Das langte natürlich, um in die Runde der letzten Vier einzuziehen. Frankreich zu bezwingen, war Portugal jedoch nicht vergönnt. Mit zunehmender Spieldauer wurden die Bemühungen, die Defensive des Gegners zu durchdringen, hilfloser. Und teilweise peinlich die Fallsuchtsanfälle, die einen Elfmeterpfiff des Schiris provozieren sollten. Berechtigt war der Strafstoß für die Franzosen, was Carvalho, der Henry ins Straucheln brachte, auch eingestand. Zidane schoss den Ball in die Maschen und Portugal ins Spiel um Platz drei.

Auffällig
Luis Figo ist einer der "Alten" (33) dieser WM, die spielerisch und aufgrund ihrer Einsatzbereitschaft angenehm überraschten. Eigentlich hatte der ehemalige Weltfußballer (2001) seine internationale Karriere schon an den Nagel gehängt. Der Keulenschlag der EM-Finalniederlage 2004 im eigenen Land gegen Griechenland hatte Figo die Freude am Einsatz in der Seleccao vergällt. Als es jedoch darum ging, mit Portugal die WM-Qualifikation für Deutschland zu erreichen, konnte Figo nicht widerstehen. Er war ein Aktiv-Posten bei der WM. Deco hingegen, der Figo als Leitfigur beerben sollte, konnte Portugals Spiel seinen Stempel nicht aufdrücken. Maniche, mit seinen beiden Treffern (gegen Mexiko und die Niederlande), die Abwehrleute Meira und Carvalho sowie Angreifer Cristiano Ronaldo spielten eine gute WM. Ronaldo hatte sich indes noch mehr erhofft. Nicht unberechtigt, betrachtet man die fußballerischen Fähigkeiten des 21-Jährigen. Seine Schwalben gegen Frankreich hätte er sich allerdings sparen können. Als herausragender Akteur des Teams muss jedoch Ricardo angesehen werden, der Held des Elfmeterschießens. Der hervorragende Keeper hinter einer guten Abwehr war Portugals Garant zum Vorstoß unter die besten vier Teams des Turniers.

André Schulin



Meine Spieler haben alle einen Zipfel.

— Peter Pacult, Trainer von 1860 München, nachdem Präsident Karl-Heinz Wildmoser gezweifelt hatte, ob die Münchner Spieler "echte Männer" sind