Kraftvoll zugebissen

von Günther Jakobsen09:50 Uhr | 04.04.2007

Lange war Milans Tempo für die Bayern zu hoch. Die Italiener gaben sich spielfreudiger und wacher im Zweikampf, was zeitweise eine höhere Führung als nur ein 1:0 in Aussicht stellte. Nach dem plötzlichen Ausgleich leckten die Münchener aber Blut, erreichten ein körperliches Übergewicht und steckten sogar ein Elfmetergeschenk für die Gastgeber weg. Mit der Schlusssirene erzwangen sie noch ein fabelhaftes 2:2.

Während die Platzelf nur auf den nicht spielberechtigten Ronaldo verzichten musste, hatte Ottmar Hitzfeld gleich zwei große Baustellen im Team. Olli Kahn musste wegen seiner Urin-Posse durch Rensing ersetzt werden, obendrein fehlte mit van Bommel ein weiterer Führungsspieler, für den Hargreaves aber rechtzeitig wieder fit geworden war. Obwohl Inzaghi nur auf der Bank saß, erinnerte viel am Mailänder Spiel zunächst ans 4:1 des Vorjahres. Nach gut einer Minute schlug Jankulovski direkt eine prächtige Flanke, die Seedorf aber knapp verpasste. Der Druck nahm stetig zu und wurde durch einen Schweinsteiger-Schuss allenfalls kurz unterbrochen (14.), die beste Chance vereitelte Rensing mit einer großartigen Faustabwehr gegen Ambrosinis Kopfball (17.). Auch wenn Milan es anschließend ruhiger angehen ließ, blieben die Bayern in den Zweikämpfen meist zweiter Sieger; höchstselten konnte ein Gegenangriff mal bis zu Makaay oder Podolski zu Ende gespielt werden. Einzig bei Ottls Schuss aus dem Hinterhalt musste Dida einmal eingreifen (25.). Auffallend gut funktionierte allerdings die Münchener Hintermannschaft, aus der vor allem Lucio herausragte und deren Stärke bis ins Mittelfeld ausstrahlte, wo der gefürchtete Kaka wenig Raum zur Entfaltung fand. Die letzte Angriffswelle vor der Halbzeit überstanden die Gäste dennoch nicht schadlos. Den ersten Versuch Gilardinos entschärfte Rensing erneut hervorragend, gleich danach hatte Lucio Glück, dass seine Sense gegen Kaka keinen Elfmeter nach sich zog (40.). Schon die anschließende Ecke aber führte doch zum 1:0: Auf kurzem Weg kam der Ball zurück zum Strafraum zu Oddo, was die Münchener nutzten, um größtenteils herauszulaufen. Bei der Flanke standen tatsächlich auch drei Mailänder im Abseits, nicht aber Pirlo, der den machtlosen Rensing mit einer geschickten Bogenlampe überwand.

Gleich nach der Pause hatten die Bayern ihre schwächste Phase, was nicht minder am starken Milan lag, das vor allem im Mittelfeld klar dominierte. Nur eine Millimeterentscheidung stand dem frühen 2:0 entgegen, als Gilardino nach Pirlos Traumpass frei durch war und Rensing auch schon überwunden hatte (53.). Gleich im Anschluss vergab Kaka eine Riesenchance, als er ebenfalls allein vor Bayerns Keeper auftauchte. Den Gästen drohte in dieser Phase das gleiche Ungemach wie im letzten Jahr, und dass sie dann überraschend ins Spiel zurückkehrten, lag auch eher an den schwindenden Kräften der Italiener. Nach Flanke von Salihamidzic setzte sich der gerade frische Pizarro im Kopfballduell durch und legte so ungewollt für van Buyten auf, der aus kurzer Distanz zum nicht denkbaren Ausgleich traf (78.). Nun schien das Spiel zu kippen, weil Milan seine sündhafte Chancenverwertung vorgehalten bekam und daran zu verzweifeln drohte. Bayern übernahm die Kontrolle und drängte die Platzelf vor allem körperlich aus der Manege. Hundsgemein fühlte es sich da an, dass Milan vom sonst guten Schiedsrichter einen Strafstoß geschenkt bekam, den Kaka auch dankbar verwandelte – Lucio hatte den Brasilianer eindeutig fair vom Ball getrennt (84.). Jetzt aber wollte es der Deutsche Meister erst recht wissen. Kaum einen Zweikampf konnte Mailand anschließend noch gewinnen. Die Münchener zerrissen sich förmlich, ließen sich von ihrer Wut zu einem großen Schlussspurt treiben und wurden dafür belohnt. Erneut van Buyten kam in der letzten Minute der Nachspielzeit an den Ball und knallte ihn aus spitzem Winkel mit geschlossenen Augen ins Tor. Allein dafür hatte sich der Strafstoß dann sogar gelohnt.

Maik Großmann



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— Wayne Rooney