Dass in Italien die bizarrsten Verflechtungen zwischen Politik, Medien und Fußball bestehen, das ist wahrlich keine Neuigkeit mehr. Folgt man den zahlreichen Ausführungen der Autorin, Birgit Schönau, so scheint auch die Omnipräsenz eines Silvio Berlusconi, (Ex)Premierminister, Medien-Zar und (Ex) Ex-Milan-Präsident in Personalunion, lediglich einer Tradition entsprungen zu sein, einer Folklore, die ständig zwischen einer intensiver Lobbyarbeit und den Grauzonen der Justiz pendelt. In den 90er Jahren rutschte die Politik in eine Sinnkrise, nun folgt der Fußball. Wer hat noch saubere Hände?
Wenn aufgebrachte Tifosi in Florenz die Gleise am Bahnhof Campo di Marte blockieren und damit die Strecke Mailand-Rom zum zeitweiligen Kollaps bringen; wenn Anhänger des AC Milan großflächige Sitzstreiks ankündigen, dann bahnt sich etwas Großes an, etwas, das ein gesamtes Land auf den Kopf stellen kann. Zurzeit erleben wir die ersten Protestwellen, deren Motivation sich aus der anfänglichen Fassungslosigkeit speist. Noch ist es ein lähmender Schock, der die völlige Entladung der Emotionen in Zaum hält. Denn noch schallen die Freudengesänge durch die Köpfe der unzähligen italienischen Fußballfans. Der famose Triumph im Finale der Weltmeisterschaft ist noch Puffer für die Wut, die sich dahinter staut. Wie lange hält das noch?
Am kommenden Samstag beginnt in Rom der Berufungsprozess vor dem Sportgericht des nationalen Fußballverbandes (FIGC). Verhandelt wird erneut der Fall der vier Erstligavereine, die in der ersten Instanz zwar mit unterschiedlichen Strafen belegt wurden, sich aber im Grunde einem gemeinsamen kapitalen Vorwurf ausgesetzt sehen: Betrug und Manipulation. Es wird von den Richtern nachdrücklich zu bewerten sein, ob Zwangsversetzungen in die niederen Spielklassen und Punkteabzüge für Gerechtigkeit und ein breites Einverständnis sorgen können; ob Berufsverbote und Geldstrafen Abschreckung genug sind, um der Gefahr der Nachahmung vorzubeugen; ob der Calcio jemals wieder seine Glaubwürdigkeit erhält und wieder Einzug in die Herzen der Fans findet. (Was für unser Verständnis bereits hier in Pathos mündet, ist jenseits der Alpen oftmals von existentieller Bedeutung).
Und wie auch immer es enden mag: Es wird ein Urteil sein– das ist zumindest zu hoffen – , das die Strukturen verändern wird, ähnlich wie es die Politik Anfang der 90er erlebte, als das Parteiensystem kollabierte, als es nicht mehr langte, seine Hände einfach nur öffentlich in Unschuld zu waschen. Die Gerichte griffen hart durch und zogen manch schmerzhafte Grenze: „mani pulite“. Jetzt wartet ganz Italien auf die Bestätigung der Urteile. Die Vereine bangen um ihre Zukunft. Die Verantwortlichen um ihr Image. Die Spieler um ihren Job. Die Fans um ihre Idole. Und viele europäische Spitzenvereine setzen auf die Stärke ihres Geldbeutels, um aus dem Skandal ihren Vorteil zu schlagen. Die nächste Protestwelle wird kommen und wahrscheinlich noch an Intensität gewinnen. Hoffentlich lassen sich die Richter davon nicht beeindrucken und bringen ihren Job, um den sie niemand beneidet, im Sinne des Fußballs zu Ende.
Paul Linke/11Freunde-Redaktion
Bei Bayern gibt es eine Titel-Garantie, deshalb gehe ich nach München.
— Niko Kovac, Hamburger SV, bei seinem Abschied 2001. Er wurde genau ein Mal deutscher Meister mit dem FC Bayern...