Les Bleus schockten England in der Nachspielzeit

von Günther Jakobsen12:43 Uhr | 14.06.2004

Dramatik im Topspiel: Titelverteidiger Frankreich brauchte die Nachspielzeit, um den Ball im englischen Tor unterzubringen. Das gelang dann allerdings gleich zwei Mal und wendete das Spiel. Kroatien verpasste die Chance, aus einem 40-minütigem Überzahlspiel gegen die Schweiz Profit zu schlagen.

Kroatien hilflos in Überzahl
Mit der Partie Schweiz gegen Kroatien startete die Gruppe B ins EM-Turnier - und Eröffnungsspielcharakter hatte diese Begegnung in der Tat. Beide Teams huldigten dem Sicherheitsdenken und ermauerten sich letztendlich ein 0:0, über dessen Wert nach Beendigung der Gruppenphase abgerechnet wird. Möglicherweise müssen die Kroaten dann zerknirscht auf die vergebene Chance zurückblicken, aus einem 40-minütigem Überzahlspiel nichts gemacht zu haben (der Schweizer Johann Vogel sah Gelb-Rot). Mann des Spiels war der Schweizer Keeper Jörg Stiel, der wenige Minuten vor Ende der ersten Halbzeit mit einem großartigen Reflex eine gute Kopfballchance der Kroaten zunichte machte und Glück hatte, dass Ivica Olic im Nachsetzen nur an die Latte köpfte. In der 70. Minute wurde der weit vor seinem Kasten stehende Stiel von einem Fernschuss Rapaics überrascht. Die Kugel setzte außerhalb des Sechzehners auf, überlobbte Stiel und steuerte auf das offene Tor zu. Dem Schweizer Schlussmann gelang es jedoch, den Ball wieder einzuholen und nach einem Hechtsprung vor der Linie mit dem Kopf zu stoppen. Aus Schweizer Sicht eine Punkteteilung, mit der man den Umständen nach leben kann. Warum Kroatiens Coach Otto Baric als Reaktion auf die hilflosen Versuche seiner Stürmer nicht den derzeit in guter Form befindlichen Ivan Klasnic einwechselte, ist mit einem Fragezeichen zu versehen.

Später Knockout
Das als erstes Highlight der EM erwartete Spiel von Titelverteidiger Frankreich gegen England wurde den Ansprüchen vollauf gerecht. Die beiderseitig mit hohem Tempo und Einsatz geführte Partie zweier Teams die sich gut kennen - die meisten französischen Kicker spielen in der Premier League - war gespickt mit rasanten Zweikämpfen und Beispielen perfekter Ballbehandlung. Das entschädigte für den Mangel an herausgespielten, guten Torchancen. Zurecht gingen die Engländer mit einer 1:0-Führung (Lampard per Kopf nach Beckham-Freistoß) in die Pause, da sie der französischen Feldüberlegenheit an ihrem Sechzehner ein unüberwindliches Abwehrbollwerk entgegensetzten. Der selbstbewusste und agile Youngster Wayne Rooney bekam nach einem sehenswerten Solo einen Strafstoß zugesprochen und ermöglichte den Briten in der zweiten Halbzeit die Vorentscheidung - David Beckham scheiterte jedoch an Fabien Barthez, der mit hochgerissen Fäusten die Kugel abblockte. Den nächsten englischen Schussversuch wehrte er, ungewollt natürlich, mit der Nase ab. Seine Teamkollegen indes schienen nicht den richtigen Riecher zu haben, den Turnierauftakt erfolgreich zu gestalten. In dieser Phase des Spiels wurde das Manko der Franzosen besonders deutlich: Ihre schnellen Stürmer Henry und Trezéguet fanden nicht den Raum, ihre Stärken auszuspielen. Ballgewandt und ohne Frage mit großem Engagement, stießen Zidane und Co. jedoch zu früh in die Mitte. In der zweiten Halbzeit mischte sich Lizarazu verstärkt auf der linken Seite in die Offensivbemühungen ein. Seine Flanken jedoch landeten meist beim Gegner. In der Nachspielzeit dann die sensationelle Wende. Erst schickte Frankreichs Superstar Zinedine Zidane "Roteiro", den EM-Ball, mit einem 18-Meter Freistoß in die Maschen. Dann verwertete er den nach einem Foul an Henry verhängten Strafstoß und hinterließ damit fassungslose englische Spieler sowie deren 30.000 angereiste Fans im Stadion. Dem Spielverlauf nach wäre ein Unentschieden angemessen gewesen.

André Schulin



Ich habe Herrn Assauer nie als Kaschmirproleten bezeichnet. Ich habe Herrn Assauer Kaschmirhooligan genannt.

— Michael Meier