Mehr dabei als mittendrin

von Günther Jakobsen19:35 Uhr | 04.01.2008

Rostocks Rückkehr in die Bundesliga geschah unter unscheinbarem Licht. Als der Fehlstart immer länger wurde, schienen die Pessimisten Recht zu behalten, die Hansa die Substanz für die Eliteklasse abgesprochen hatten. Ein kurzer Zwischenspurt und eine konstant schwächere Konkurrenz reichten aber aus, um kurz vor Schluss wieder den Hals aus der Abstiegszone zu recken. Die Zukunft bleibt völlig ungewiss.

Den Grundstein für seine sorgenvolle Hinrunde hatte der FC Hansa schon in der Rückserie der Zweiten Liga gelegt, als ein vorher satter Vorsprung auf Platz vier beinahe noch verspielt und der Aufstieg erst in der letzten Begegnung gesichert wurde. Für die neue Saison war diese Planungsunsicherheit Gift. Viel verändert zwar, aber kaum sichtbar verstärkt, ging Rostock somit an den Start - und legte sich auf der Stelle lang. Beim 0:3 in München schienen die Hanseaten zunächst noch das Opfer eines Bayern-gewogenen Spielplangestalters. Doch folgten dieser ersten direkt noch vier weitere Pleiten, bei denen sich Hansa durch die Bank harmlos, unerfahren und immer mehr auch verstört präsentierte; nach fünf gespielten Runden lag der Neuling wie aussortiert auf dem letzten Platz. Wie eng sich der Knoten in dieser Phase zog, zeigte sich am Knall, mit dem er sich schließlich löste. Schon nach dem ersten Sieg der Saison, einem 2:0 über Mitaufsteiger Duisburg, stiegen Frank Pagelsdorf wieder Tränen der Freude in die Augen. Doch war seine Mannschaft nun gleich so in Fahrt, dass auch noch in Berlin (3:1) und direkt danach gegen den Deutschen Meister Stuttgart (2:1) gewonnen wurde – binnen einer Woche hatte der Neuling aus null Punkten neun gemacht und schien endlich in der Bundesliga angekommen.

Hansas wahres Gesicht war allerdings auch dieses nicht, denn im gleichen Tempo ging die Euphorie wieder verloren. Beim Auswärtsspiel in Wolfsburg (9. Spieltag) trat Rostock zwar mit breiter Brust in die Manege, investierte sein frisch gewonnenes Selbstvertrauen aber einzig in die Defensive und verlor kurz vor dem Ende noch mit 0:1. Auch die nächsten vier Partien standen durchweg auf Messer Schneide, einzig sein Heimspiel gegen Cottbus konnte Hansa gewinnen (3:2). So kehrten sie wieder zurück, die Unsicherheit, der Wankelmut und auch die Glücklosigkeit vom Saisonbeginn. Wirklich desolat spielte der Ostseeklub selten, rang sogar Schalke ein 1:1 ab und ging gegen Hannover nur durch einen dreiminütigen Blackout noch mit 0:3 baden. Nur Leverkusen (0:3) und der HSV (0:2) waren wirklich eine Nummer zu groß. Chronisch allerdings blieb die Unwucht im hanseatischen Sturm, die auch durch den Zukauf des Ex-Angestellten Victor Agali nicht behoben werden konnte. Bester Schütze wurde noch Enrico Kern, der oft genug als einzige Spitze auflief und allein drei seiner fünf Treffer beim Heimsieg gegen Cottbus erzielte. Hähnge steuerte drei Tore bei, Agali traf kein einziges Mal. Wenig Torgefahr entstand dabei auch aus dem Mittelfeld, das mehr als die halbe Hinrunde ohne seinen Strategen Stefan Beinlich auskommen musste und in dem sich sonst niemand mit spritzigen Ideen aufdrängen konnte. Einzig Schlusslicht Duisburg (14) kam somit auf noch weniger Treffer als der FCH (16), der auswärts bis auf den Sieg in Berlin keinen einzigen Zähler mitnahm und nur durch einen Abschlusserfolg über Bochum (2:0) noch gerade auf einem Nichtabstiegsplatz landete. „Davon dürfen wir uns nicht blenden lassen“, ließ danach Frank Pagelsdorf verlauten, der insgesamt ein Team ohne Gesicht trainierte und der für die Rückrunde noch eine ganze Menge Arbeit vor sich weiß. 17 Punkte aus 17 Spielen gelten schließlich gemeinhin noch nicht als halbe Miete.

Maik Großmann



Lasst die WM in Katar (...) Deutschland hat 1954, neun Jahre nach dem Krieg, auch mitspielen dürfen.

— Ansgar Brinkmann über die WM 2022 in Katar.