Mit dem Fußball verwurzelt

von Günther Jakobsen16:12 Uhr | 11.10.2005

Durch die Ausrichtung der WM 2007 haben die Chinesen ein Top-Fußball-Event vor Augen, bei dem sie kräftig mitmischen - allerdings lediglich im Frauen-Bereich. Die Männer haben die Teilnahme am Turnier 2006 verpasst, trotz eines sportlichen Aufschwunges im letzten Jahrzehnt.

Des Spieles Ursprung
Einen Zusammenhang zwischen Ginseng-Wurzeln und China herzustellen - das passt für Viele, da die Knolle des zu den Efeugewächsen gehörigen Ginsengs als Heilpflanze auch hierzulande bekannt wurde. Die Wurzeln des Fußballspiels jedoch ebenfalls im Reich der Mitte zu suchen, ist weniger üblich, da allgemein England als Mutterland des Fußballs gilt. Antike Funde belegen indes, dass im China der Tschou-Dynastie (bis 249 v. Chr.) ein ursprünglich als Übung von Soldaten praktiziertes Ballspiel namens „Mit dem Fuß stoßen“ („Ts’uh-küh“, wörtlich übersetzt) auch bei der Zivilbevölkerung sehr populär wurde. Regeln, die bislang allerdings nicht exakt rekonstruiert werden konnten, und spezielle Spielfelder wurden festgelegt. Das Spielgerät ist beschrieben als ein aus acht Lederstücken zusammengenähter Ball, gefüllt mit Federn und Tierhaaren. In der weiteren Entwicklung des Jahrhunderte lang praktizierten Sports ist sogar von einem Ball die Rede, der mit Luft gefüllt war. Unerklärlicherweise löste sich in China das allgemeine Ausüben des Spiels etwa um 900 n. Chr. in selbiger auf.

Noch junger Professionalismus
Spätestens 1924, mit der überregionalen Verbandsgründung (CFA) kehrte der Fußball auf breiter Ebene nach China zurück. 1931 schloss man sich der Fifa an, aber international blieb der chinesische Fußball weit hinter dem Spitzenniveau zurück. In der Post-Mao-Tse-tung-Zeit öffnete sich das Land langsam für neue Einflüsse, was u. a. zur Folge hatte, dass ausländische Trainer zugelassen wurden. Unter dem Ex-Bundesligacoach Klaus Schlappner erreichte Chinas Nationalteam 1984 erstmals das Finale der Asienmeisterschaft, unterlag dort Saudi-Arabien mit 0:2. Nach diesem Achtungserfolg sollten jedoch noch weitere zehn Jahre verstreichen, bevor mit der Installation der CPSL (Chinese Professional Soccer League) professionelle Strukturen Einzug hielten. Erfolgreichster Klub dieser noch jungen Liga ist Dalian Shide (bis 2000 als Dalian Wanda bekannt). Die Kicker aus der Küstenmetropole Dalian sicherten sich sieben Meistertitel. Dank des Unterbaues durch die CPSL gewann auch die Nationalelf wieder an Stärke und konnte 2002 mit dem Globetrotter Bora Milutinovic auf der Trainerbank das WM-Endrunden-Debüt feiern. 2004 zog China zudem erneut ins Finale der Asienmeisterschaft ein, musste dort jedoch die Überlegenheit der Japaner (3:1) anerkennen. Das Aus in der WM 2006-Qualifikation bedeutete einen herben Rückschlag und kostete Milutinovic-Nachfolger Arie Haan den Job.

Nachholbedarf im internationalen Vergleich
Mit Zhu Guanghu vertraut der chinesische Verband derzeit auf einen einheimischen Übungsleiter, der sich als Meistertrainer des amtierenden Champions Shenzhen Jianlibao hervortat. Im ersten Länderspielvergleich zwischen China und der DFB-Auswahl kann sich Zhu nur bei wenigen seiner Aktiven auf Erfahrungen mit europäischen Gegenspielern berufen. Einer davon ist der bei den Münchner Löwen seit 2002 unter Vertrag stehende Mittelfeldakteur Jiayi Shao, dem nach Chen Yang (1998-2002 bei Eintracht Frankfurt) bislang einzigen chinesischen Bundesligaspieler. Neben Shao sind noch Abwehrspieler Jihai Sun (Manchester City) und Stürmer Xie Hui (Shanghai Shenhua, früher bei Aachen und Greuther Fürth) zu nennen, die über einen längeren Zeitraum in Europa spielten. Dass immer noch gravierende Unterschiede zwischen Fußball in China und der westlichen Welt zu beobachten sind, berichtete Ex-Bundesligacoach Dragoslav Stepanovic im Frühjahr 2004, als er Erfolge mit dem Erstligisten Shenyang Jinde feierte. „Die Spieler von Shenyang Jinde leben die ganze Saison in einem Sportzentrum, das eine gute Autostunde außerhalb der Stadt liegt. Sie dürfen nicht heiraten, bevor sie 30 Jahre alt sind. Frauen bringen Unglück im Fußball.“ Letztgenannte Betrachtung dürften die chinesischen Kickerinnen gar nicht mitbekommen haben, denn sie werden seit Jahren der Weltspitze zugerechnet (1999 Vize-Weltmeister). Davon ist das Herren-Nationalteam Chinas noch ein Stück weit entfernt. Trotz der mutmaßlich ältesten Verwurzelung mit dem Sport.

André Schulin



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