Das Confederations-Cup-Halbfinale bietet der deutschen Elf eine hervorragende Möglichkeit, sich unter Turnierbedingungen mit Brasilien, dem Rekordweltmeister, zu messen. Trotz der Abstinenz einiger Weltstars stellt die Selecao immer noch eine hochkarätige Auswahl.
Erfolg und Ästhetik
Die brasilianische Nationalelf führt nicht nur ein lebendes Phänomen in ihren Reihen - Ronaldo, dreimaliger "Weltfußballer des Jahres" (1996, 1997 und 2002), genannt: Il Phenomenon - sie selbst vollbringt regelmäßig Außergewöhnliches. Keine Nation schnappte sich öfter als die Südamerikaner aus dem Lande des Zuckerhuts die WM-Krone (fünf Mal: 1958, 1962, 1970, 1994, 2002), und dennoch treten kaum Neider auf den Plan. Grund: Die Spieler der Selecao können es sich selbst in kniffligen Situationen kaum verkneifen, Fußball zu "spielen". Diese - schön fürs Auge aber nicht immer effiziente - Art, mit der Kugel umzugehen, nötigte den arg ergebnis- und disziplinorientierten westeuropäischen Nationen schon immer Bewunderung ab, doch nur durch ihre mit der Ästhetik schritthaltende Erfolge entzogen sich die Brasilianer einer Abqualifizierung als "Schönspieler". Der unübersehbaren Athletik eines Ronaldinho, Ronaldo und Roberto Carlos (Letztere nahmen zum Confed Cup eine schöpferische Auszeit), die dem körperbetonten Einsatz in den europäischen Topligen und Wettbewerben Rechnung trägt, und der im Ausland erworbenen Disziplin zum Trotz, haben diese Spieler sich ihre verspielte Mentalität bewahrt.
Topleute zwischen den Pfosten
Fünf Bundesliga-Brasilianer kamen in den Confed-Cup-Gruppenspielen zum Einsatz: Die beim FC Bayern beschäftigten Lucio und Zé Roberto, die Leverkusener Juan und Roque Junior sowie der Herthaner Gilberto. Allesamt Defensivkräfte - zumindest nominell und in der Selecáo. Dass es aber selbst den als solchen ausgewiesenen Zuckerhut-Verteidigern schwerfällt, konsequent ihre hinteren Positionen zu halten, wurde beim Confed-Cup bestätigt. So bleibt die Defensive, traditionell, Brasiliens Achillesverse. In der jüngeren Vergangenheit können die Brasilianer allerdings auf international herausragende Torhüter vertrauen. Dida (AC Mailand), dessen Vorgänger Marcos (SE Palmeiras) - die aktuelle Nummer zwei - und auch Heurelho Gomes (PSV Eindhoven) sind Klasseleute zwischen den Pfosten, wie es sie viele Generationen lang in Brasilien nicht gab. Gegenüber den immer mit exzellenten Feldspielern ausgestatteten Nationalteams fielen die Schlussleute oftmals als Fliegenfänger ab.
Podium für Robinho und Cicinho
Zwei bislang bei brasilianischen Klubs unter Vertrag stehenden, hoffnungsvollen Youngstern bot Nationalcoach Carlos Alberto Parreira beim Confed-Cup die Bühne für einen Auftritt vor einer Weltöffentlichkeit: Den als möglichen Pelé-Nachfolger gepriesenen Offensivmann Robinho (wechselt vom FC Santos zu Real Madrid) und Cicinho (FC Sao Paulo), den Rechtsverteidiger mit (natürlich) ausgeprägtem Offensivdrang. Die Gruppenphase überstand Brasilien nur als Gruppenzweiter, da es gegen die engagierten Mexikaner eine 0:1-Niederlage setzte und gegen Japan lediglich ein 2:2-Remis heraussprang. Dies ist allerdings kein Grund für die Deutschen (in 19 Länderspielen nur drei Siege gegen Brasilien, elf Niederlagen, fünf Unentschieden), der Halbfinalbegegnung zu optimistisch entgegen zu sehen. Es gilt das Wort des wegen der übermächtigen Konkurrenz nicht in der Selecao berücksichtigten Bundesliga-Brasilianers Ailton: "Musse konzentriere" - nur dann ist gegen die fintenreichen Samba-Kicker was möglich.
André Schulin
Manche dachten sicher: Der ist gestört. Ein paar Jahre später sahen sie mich dann im Fernsehen wieder.
— Stefan Effenberg, der als Jugendlicher stundenlang mit dem Fußball gegen die Turnhallenwand gekickt hatte.