Es geht wieder los. Ehrliche Spieler, überbewertete Trainer, die Nachwuchsfrage, Gehälter und Neid sind Themen, die neben der Kirch-Krise, ausgepfiffenen Funktionären und der schamlosen Jubel-Presse zum Bundesligastart gehören.
Im groß aufgemachten Eröffnungsspiel der neuen Bundesligasaison trafen zwei Teams aufeinander, deren Stammelf nur so vor Nationalspielern und Stars birst. Demzufolge werden die Mannschaften von den Fachleuten als Anwärter auf die ersten Plätze der Abschlusstabelle gehandelt. Der BVB hat zehn Nationalspieler des aktuellen Vize-Weltmeisters in den Reihen, während die Berliner drei deutsche Auswahlkicker in ihrem Kader aufweisen. Aufgelaufen sind am Freitag davon jedoch die wenigsten.
Das Bosman-Urteil vom 15.12.1995 öffnete dem Fußballspieler-Transfermarkt dereinst die Perspektive, wesentlich mehr Ausländer in die Spielerkader der Profis aufzunehmen, als je zuvor. Ein Zwischenstand der Entwicklung konnte aktuell am Beispiel der 22 zum Eröffnungsspiel im Westfalen-Stadion aufgelaufenden Kicker abgelesen werden.
Ein Blick auf die elf Sammer-Zöglinge, die für den amtierenden Deutschen Meister aufliefen, zeigte uns, dass die Borussia immerhin fünf einheimischen Kickern das Vertrauen schenkte: Jens Lehmann, Christoph Metzelder, Sebastian Kehl, Jörg Heinrich und Torsten Frings. Weiterhin standen Stefan Reuter, Heiko Herrlich und Fredi Bobic bereit, während Lars Ricken und Christian Wörns wegen Verletzung noch pausieren mussten. Somit bestand das Gros des Teams aus Spielern, deren Wiege nicht in unseren Grenzen aufgestellt war. Schon von der letztjährigen Meistermannschaft waren nur fünf der elf am häufigsten eingesetzten Spieler Deutsche. Nachwuchsmann Odonkor kam in der 90. Minute zum Einsatz.
Bei den Gästen aus Berlin sah die Sachlage ähnlich aus. Derzeit können nur Marko Rehmer, Stefan Beinlich und Michael Preetz mit einem Stammplatz rechnen. Doch nicht einmal für diese drei Kandidaten ist der Platz in der ersten Elf sicher. Während Rehmer (Sprunggelenks-Entzündung) und Beinlich (Meniskus-Quetschung) aufgrund ihrer Verletzungen aussetzen mussten, sitzt „Oldie“ Preetz der Neuzugang Luizao bereits im Nacken. Immerhin standen mit den Youngstern Arne Friedrich (für Rehmer) und Thorben Marx (für Beinlich) zwei in den Vorbereitungsspielen überzeugende deutsche Alternativen bereit. Talent Denis Lapaczinski (verletzt), Andreas Schmidt, „Zecke“ Neuendorf (beide spielten ausnahmsweise), Michael Hartmann, Benjamin Köhler und René Tretschok dürften derzeit nur als Ergänzungsspieler angesehen werden. Torhüter Christian Fiedler musste trotz einiger Vorbereitungseinsätze dem Ungarn Gabor Kiraly den Vorzug lassen.
Es war also nicht verwunderlich, dass am Freitag von den 22 Spielern der Start-Teams nur zehn aus dem Lande des Vize-Weltmeisters stammen. Die weiterhin geführte Diskussion um unseren Fußballnachwuchs (Odonkor, Friedrich und Marx spielten - das war’s), der in den Spitzenmannschaften der Liga kaum Einsatzchancen erhält (Perspektive: EM 2004 und WM 2006), dürfte somit vorerst nicht abbrechen und den Verantwortlichen der Vereine also auch weiterhin keine Ruhe lassen. Momentan sieht die Sachlage schließlich so aus, dass den so genannten „Kleinen“ der Bundesliga eher die Aufgabe obliegt, den Talenten Spielpraxis vor Vollendung des 22. Geburtstages unter niveauvollen Wettkampfbedingungen zu gewährleisten, als den sechs Top-Teams der Liga. Die greifen sich dann die „gewachsenen“ Kandidaten für gutes Geld und schöpfen die Ausbildungsaktivitäten der „Grauen Mäuse“ der Tabelle ab.
Das System ist nicht neu und Deutschland wurde trotzdem mit den Ausnahmen der Regel, Klose, Metzelder und Kehl, Weltmeister. Doch im Hinblick auf die großen Aufgaben 2004 und 2006 seien Zweifel angebracht, ob Teamchef Völler und Nationaltrainer Skibbe unter diesen Bedingungen genügend Nachwuchs-Auswahl zur Verfügung haben. Denn die i-Tüpfelchen an Erfahrung für die Spieler sind nun einmal die Wettbewerbsbedingungen in der Champions League (Beispiel: Metzelder) und im UEFA-Cup, die den Teams unterhalb der Top-Six nicht zur Verfügung stehen.
Wo sind die Spieler von Bayern (Feulner?), Dortmund (Odonkor?), Leverkusen (Bozic und Masmanidis?), Hertha (Marx?), Schalke (Lamotte und Hanke?) und Werder (Walke, Borowski, Schulz, Stier und Beckert?), die zum Kader zählend, eine echte Wettkampfchance 2002/2003 erhalten? Die meisten dieser Nachwuchskräfte werden wir in den nächsten Jahren, wie gewohnt, zu anderen (unterklassigen) Vereinen abgeschoben sehen, weil ihnen die Star-"Trainer" (trainieren tun andere) ohne Courage die "fertigen" Kicker vorziehen. Oder kennt jemand einen Spieler der Top-Six, außer Lars Ricken, der in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren eine echte Chance in diesen Teams erhielt?
Ein Armutszeugnis unserer Elite-Clubs und vor allem ihrer hochdotierten "Trainer", von deren Jahressalär fünf bis zehn Familien ein Arbeitsleben lang zehren könnten. Das Totschlagargument "Neid" benutzt übrigens nur genau diese umschleimte Elite und ihre Jubel-Postillen. Und wenn Spielern einmal herausrutscht, dass sie auch ohne Trainer den Erfolg gehabt hätten, ist trotz Maulsperre und Geldstrafe an dieser Aussage viel mehr dran, als uns eingeredet wird.
Erfrischend war Volkes Stimme/das BVB-Publikum, als der durch rein gar nicht legitimierte, oberste Versager der Liga, Werner Hackmann, sich erdreistete (nachdem er etlichen Fotografen die Berichterstattung untersagte und die Pressefreiheit untergrub), die Spielzeit zu eröffnen. Nicht einmal diesen einen blöden Satz konnte er ohne ein gellendes Pfeifkonzert herausbringen. Neid? Diesmal nicht.
Franz Heck
Ich spiele weiterhin mit Risiko. Schließlich profitieren alle davon: Wir, das Publikum und auch der Gegner.
— Aad de Mos als Trainer von Werder Bremen