Nahe an der Perfektion

von Günther Jakobsen23:46 Uhr | 02.05.2007

Milan machte keine halben Sachen und spielte gegen ein hoffnungslos unterlegenes Manchester von Anfang an voll auf Sieg. Eine Gala in der ersten und ein Kontrollgang in der zweiten Halbzeit ergaben in der Summe ein lockeres 3:0 und damit das Ticket fürs Finale. Dort kommt es zum ersten Mal in der Wettbewerbsgeschichte zu einer Neuauflage.

Nach dem Feuerwerk im ersten Vergleich standen die Zeichen eher auf Geduldsspiel, da Milan schon ein einziges Tor zum Weiterkommen reichen konnte. Doch es kam völlig anders. Die Platzelf stürmte los wie von der Kette gelassen und sorgte schon in den ersten Minuten für solche Aufruhr, das ManU ein Schrecken nach dem anderen durch die Glieder fuhr. Die erste Chance vergab Inzaghi (2.), die zweite Seedorf (4.), und die dritte führte dann schon zum Tor. Kaka bekam einen hohen Ball von Seedorf vor die Füße geköpft, zog aus gut 20 Metern ab und traf direkt in den Winkel (11.). Wenn die Gäste eines hatten verhindern wollen, dann einen solchen frühen Gegentreffer, allerdings zeigten sie zu Beginn ein derart laxes Zweikampfverhalten, dass vor allem Seedorf und Kaka immer wieder losziehen konnten. Rooney und Ronaldo hingegen hatten soweit noch kaum einen Ball berührt, was sehr an der geschlossen starken Vorstellung des AC Mailand lag. Nach etwa 20 Minuten lockerten die Gastgeber ihren Würgegriff, was Rooney zum ersten Torschuss der Ferguson-Elf nutzte (21.). Mehr kam von den Gästen vorerst nicht. Statt dessen konnte Milan noch einen Schwerthieb setzen, weil der Serbe Vidic patzte und Seedorf einen längst geklärten Ball zurückschenkte. Der Niederländer vernaschte gleich zwei Verteidiger und traf von der Strafraumecke flach und trocken zum 2:0 (30.). Noch vor dem Seitenwechsel konnte Inzaghi sogar auf 3:0 erhöhen, als er auf ein Zuspiel Oddos im vollen Lauf eindrosch und das Leder nur knapp neben dem Pfosten an die Bande krachte (41.). Zur Pause war ManU ein Stück weit blamiert, wogegen Milans Auftritt vor allem taktisch keinerlei Wünsche offen gelassen hatte.

Mit Wiederbeginn lag Milan dann wirklich eher auf der Lauer, allerdings spielte es auch diese Rolle so hervorragend, dass die immer noch verschreckten Gäste nicht viel zustande brachten. Als Fletcher nach einer guten Stunde auf Rooneys Zuspiel von der Strafraumkante abzog, vergab er nicht nur Manchesters beste Chance, sondern fast auch schon die letzte. Milans Zauberkiste war inzwischen zugeklappt, doch war eine kompakte Defensive schon völlig ausreichend, um das Spiel weitgehend zu kontrollieren. Wertvoll vor allem Gattuso und Pirlo, die sich mit Cristiano Ronaldo ganz auf ihre Art anfreundeten. Rooney und Giggs hingen ohne ihn völlig in der Luft. Eine Viertelstunde vor Schluss brachte Alex Ferguson noch einen dritten Stürmer, doch ManU fehlte längst der Mut zur Aufholjagd. Nachdem Kaka schon vorher fast das 3:0 gemacht hätte (70.), brachte der letzte Konter dann Gewissheit. Ronaldo verlor leichtfertig den Ball an Ambrosini, dessen Pass Manchesters Abwehr wie ein Skalpell aufschnitt und Gilardino allein aufs Tor zulaufen ließ – der Abschluss machte ihm keine Probleme (78.). Weiterhin brauchte ManU eigentlich nur zwei Treffer, aber die Gäste waren derart demoralisiert, dass sie keinen einzigen Angriff mehr vorbringen konnten. Der Sieger von 1999, er wirkte am Ende wehrlos und entmutigt, während Milan einen Abend feierte, der vor allem im ersten Durchgang perfektem Fußball sehr nah kam. Erstmals in der Geschichte der Champions League erspielte sich ein Team damit die Chance, sich für ein verlorenes Finale zu revanchieren. Denn genau wie 2005 wartete im Endspiel der FC Liverpool.

Maik Großmann



Ich bin ja, im Gegensatz zu ihm, wie ruhig gestellt. Wenn ich so stehen würde wie er, manchmal, dieser Sumo-Ringer, das würde meine Kniegelenke ja gar net aushalte.

— Christian Streich, Trainer des SC Freiburg, über FC-Coach Steffen Baumgart.