Das deutsche Spiel kam nur sehr langsam ins Rollen, wurde nach einer guten halben Stunde aber zwingender und erinnerte im Verlauf der zweiten Halbzeit phasenweise gar an die besten WM-Auftritte in Südafrika. Von den Türken war vor allem offensiv mehr erwartet worden.
Die Hiddink-Elf stand vor allem in der ersten Viertelstunde mit ihrer konzentrierten, flexiblen Abwehrarbeit schier undurchdringlich den Angriffsversuchen der Deutschen gegenüber, denen es vor allem in der gegnerischen Hälfte nicht gelang, ein flüssiges Kombinationsspiel aufzubauen. Allerdings bewegten die "Gäste" (die Übermacht der türkischen Fans im Olympiastadion war unüberhörbar) nach vorne auch nichts Aufregendes, da Mertesacker & Co. ihrerseits auch nichts anbrennen ließen. Mit einem Schuss von der 16er-Grenze durch den von mächtigen Pfeifkonzerten begleiteten Özil, den Torwart Volkan sicher abwehrte, hatten die leicht überlegenen Löw-Kicker allerdings die erste Halbchance (16.). Geschwächt wurde die Türkei früh durch den verletzungsbedingten Ausfall des eingebürgerten "Sechsers" Aurelio, auch wenn sich danach am Spielverlauf vorerst wenig änderte. Die Intensität in den direkten Duellen um den Ball machte Mitte der ersten Halbzeit den Reiz der Partie aus, an und in den Strafräumen aber blieben die Hintermannschaften Herren der Lage. Einige unfertige Fernschüsse (Hamit Altintop, Kroos, Müller) sowie eine verunglückte Direktabnahme (Podolski) sorgten immerhin für etwas mehr Torgefahr als zuvor. Das einzige Tor vor der Pause fiel allerdings aus einem schönen Spielzug heraus: Lahm flankte von rechts zentral vor den Torraum, wo Müller zum Kopfball kam, den Volkan über die Latte an den Pfosten lenkte, aber gegen den Kopfballabstauber von Klose aus kurzer Distanz keine Chance besaß (42.). Bis zur Pause (inkl. fünf Minuten Nachspielzeit aufgrund der Aurelio-Verletzung) übten die Deutschen weiteren Druck aus, hatten aber keine echte Torchance mehr.
Die Türken gewannen nach dem Seitenwechsel allerdings schnell wieder ihre Stabilität zurück und spielten zudem etwas mutiger nach vorne. In der 53. Minute luchsten sie Podolski auf ihrer rechten Angriffsseite den Ball ab, doch nach der Flanke in den Rücken der deutschen Viererkette scheiterte der völlig freie Halil Altintop von Eintracht Frankfurt am großartig reagierenden Torwart Neuer, der bis dahin noch keine Chance gehabt hatte sich auszuzeichnen. Die Türkei steigerte ihre Bemühungen danach noch deutlicher, blieb aber regelmäßig an der sattelfesten Deckung der Gastgeber hängen, deren ballsichere Konter immer präziser ausgespielt wurden. Podolski hatte nach 70 Minuten die beste Chance zum 2:0, schob die Kugel aber am fast leeren Tor rechts vorbei. Bei der nächsten großen Möglichkeit aber fiel die Vorentscheidung: Lahm hatte halbrechts die Lücke für einen Steilpass auf den mittlerweile spielfreudigen Özil gefunden, der im direkten Duell gegen Volkan nervenstark vollstreckte (79.). Zuletzt leistete sich der türkische Schlussmann noch einen Mega-Patzer, indem er einen Abschlag auf Klose drosch, der plötzlich freie Bahn hatte und den unglücklichen Volkan auch noch tunnelte (87.). Somit gelang den Deutschen ein Erfolg, der letztlich um ein Tor zu hoch ausfiel, darüber hinaus aber am Ende auch uneingeschränkt verdient war.
Ulrich Merk
Die Sonne, die in Sao Paolo scheint, hat er in sich drin.
— Ralf Rangnick, Trainer VfB Stuttgart, über den brasilianischen Neuzugang Adhemar.