Nichts zu verlieren

von Günther Jakobsen17:10 Uhr | 18.08.2006

Bei Umfragen zu möglichen Abstiegskandidaten regelmäßig in vorderster Front genannt zu werden, mag lästig sein, befreit die Kicker von Energie Cottbus aber auch von überzogenen Erwartungen. Den mühsamen Kampf um den Anschluss an die Erstklassigkeit führt der Klub bereits seit seiner Gründung.

Eine Mannschaft als Geschenk
Dass komplette Fußballmannschaften verlegt wurden, war in der DDR kein Einzelfall. Prominentestes Beispiel: Hansa Rostock, damals noch unter dem Namen SK Empor Rostock bekannt, wurden 1954 zur Förderung der Fußballsparte die erfolgreichen Kicker des Erzgebirgsklubs Empor Lauter zugeschanzt. Aber auch Energie Cottbus profitierte von einer solchen staatlichen Starthilfe. Zur Spielzeit 1963/64 bekam der damals neu gegründete SC Cottbus (ab 1966: BSG Energie Cottbus) das spielende Personal des Oberligaabsteigers Aktivist Brieske (Brandenburg) kredenzt. Größeren sportlichen Erfolg, sprich: Aufstieg in die ranghöchste DDR-Spielklasse, die Oberliga, erreichten die Lausitzer allerdings erst 1973. Etablieren konnten sie sich dort jedoch nicht. Vereinzelten Aufstiegen folgte der prompte Absturz. Das Team pendelte in den folgenden Jahren überwiegend alle Höhen und Tiefen in der Zweitklassigkeit (DDR-Liga) aus, ehe ab der Saison 1989/90 eine drei Jahre währende Zugehörigkeit zur Erstklassigkeit gesichert wurde - die sich dann 1991, mit der Verschmelzung der ost- und westdeutschen Verbände, jedoch erledigte. Energie konnte sich in der Übergangssaison weder für die Bundesliga, noch für die 2. Liga qualifizieren und landete dementsprechend in der Drittklassigkeit (NOFV-Oberliga Mitte).

Mit Geyer bis in die Bundesliga
Im Juli 1994 verpflichtete man in Cottbus Eduard Geyer, der als letzter Nationaltrainer der DDR-Auswahl in die Geschichte eingegangen ist. Der mit dem Etikett „harter Hund“ versehene Geyer führte die Lausitzer sukzessive bis in die Bundesliga, wo Energie sich wider Erwarten lange (2000 bis 2003) behaupten konnte. Die erste Saison war noch Abstiegskampf pur und endete erst am letzten Spieltag mit dem 1:0-Auswärtssieg bei 1860 München glücklich. Im Folgejahr allerdings konnten die Lausitzer schon am 31. Spieltag vorzeitig den Klassenerhalt feiern. Es hatte also einen Fortschritt gegeben, doch der Erfolg war trügerisch. Der Abstieg kam in der dritten Saison, als man schon glaubte, sich in der Liga vorsichtig nach oben orientieren zu können und vor dem Startschuss von der besten Cottbuser Mannschaft aller Zeiten sprach. Die Bruchlandung war hart - am Ende betrug der Rückstand zum rettenden Ufer zehn Punkte. Für den langjährigen Coach „Ede“ Geyer schlug die Stunde seiner Beurlaubung im November 2004, als man zweifelte, ob er den Klub nochmals in die Erstklassigkeit würde hieven können. Sein Assistent Petrik Sander rückte nach und brachte im Frühjahr 2006, nach einem für Cottbus unnötig eng verlaufenem Zweitliga-Finish, den erneuten Bundesligaaufstieg in trockene Tücher.

Ungewöhnliches ist erforderlich
Energies finanzielle Ausstattung war für Erstligaverhältnisse noch nie konkurrenzfähig - daran hat sich nichts geändert. Das schlägt sich zwangsläufig im Kader nieder, der in Sachen Bundesligaerfahrung ein zartes Pflänzchen ist. Lediglich zwei Akteure haben noch aus der ersten BL-Saison „überlebt“: Torwart und Sympathieträger Tomislav Piplica, der gegenüber Neuzugang Gerhard Tremmel den Vorzug erhielt, und der kanadische Nationalspieler Kevin McKenna, der es zwischenzeitlich bei den schottischen Hearts of Midlothian probierte aber wieder nach Cottbus zurückkehrte. In der vergangenen Saison wurde er sowohl als Stürmer (10 Treffer) wie auch - vorwiegend - in der Abwehr aufgeboten. Eine derartige Flexibilität ist ungewöhnlich, aber Cottbus wird wohl auch Ungewöhnliches leisten müssen, um sich in der Bundesliga behaupten zu können.

André Schulin



Ich habe schon in Österreich in der 2. Liga gespielt.

— Lukas Hinterseer, Hamburger SV, über Erfahrung mit ,,Geisterspielen".