Weil der niederländische Bundestrainer Bert van Marwijk besonders viel Wert auf eine Defensive legt, die höchsten Ansprüchen Rechnung trägt, ist für sein Team, das sich übrigens als erste europäische Nation für die Endrunde qualifizierte, selbst der Griff nach dem Titel keine Utopie. Denn mit seinem Angriff hat der Coach seit jeher kaum Sorgen.
Mit den beiden international längst bewährten „Sechsern“ Mark van Bommel (33) und Nigel de Jong (25) hat der ehemalige BVB-Coach auch personell ein stabiles Defensivgerüst zur Verfügung, dessen Grundlage erst wieder unter seinen Fittichen zusammenfand. Der Bayern-Kapitän van Bommel hatte sich nämlich mit Vorgänger Marco van Basten überworfen und war erst unter Schwiegervater van Marwijk in die „Elftal“ zurückgekehrt. Damit wurde auch das ewig geltende 4-3-3-System ad acta gelegt und letztlich der Durchmarsch in der WM-Quali-Gruppe 9 möglich gemacht. Ganze zwei Gegentore kassierten die Niederlande in den acht Partien, die allesamt siegreich beendet wurden. Weil sich zudem die „Verfolger“ Norwegen und Schottland nicht nur gegenseitig die Punkte abnahmen, sondern auch gegen die Außenseiter Mazedonien und Island patzten, blieb jegliche Spannung in dieser Gruppe aus. Zwar brachte das neue Spielsystem auch mit sich, dass Holland vier Partien nur mit einem Tor Unterschied gewann, dennoch geriet der Favorit in kaum einem Spiel ernsthaft in Bedrängnis.
Zufrieden konnte van Marwijk auch mit der Gruppenauslosung für diese WM sein. Mit den immer unbequemen Dänen scheint nur ein Team den Niederlanden annähernd gefährlich werden zu können, während Kamerun und Japan gegen den Gruppe-E-Favoriten als absolute Außenseiter gelten, auch wenn das in diesen Ländern teils ganz anders gesehen wird. Als vermeintlicher Gruppensieger würde im WM-Achtelfinale mit Paraguay oder der Slowakei (wird Italien in Gruppe F ebenfalls Erster) zudem auch keine Übermannschaft auf das Oranje-Team warten. Danach wäre dann allerdings Brasilien als Viertelfinal-Kontrahent möglich ...
Zweimal stand Holland bislang bei insgesamt neun Endrundenteilnahmen im Finale. 1974 unterlag das Team um Cruijff, Neeskens & Co., das immer noch eine hohe Wertschätzung bei den orange gekleideten Fans genießt, der DFB-Elf um Beckenbauer und Gerd Müller mit 1:2 und vier Jahre später dem Gastgeber Argentinien, in einer ebenfalls atemberaubenden Partie, mit 1:3 n.V. 1994 und 1998 war jeweils Brasilien der Bremsklotz im Viertel- bzw. Halbfinale, während 2006 bereits im Achtelfinale Portugal beim 0:1 die schmerzliche Endstation bedeutete. 2002 verpasste Holland die WM bereits in der Qualifikation gegen Portugal und Irland. Auch bei der letzten Europameisterschaft war die Enttäuschung im niederländischen Königreich groß, als das Viertelfinalspiel gegen Russland 1:3 n.V. endete.
Die Vorzeichen vor der WM in Südafrika deuten jedoch an, dass van Marwijks Truppe eine wesentliche bessere Rolle spielen kann und nicht wieder nach spielstarker Vorrunde mit Pauken und Trompeten in einer Zwischenrunde scheitert. Mit den Ausnahmeakteuren Robben und Sneijder (beide im Champions League-Finale) sowie den kongenialen Angreifern van Persie, Kuyt und Huntelaar steht dem Bundestrainer eine Offensivformation zur Verfügung, die kaum zu toppen ist. Dahinter warten mit Babel (Liverpool) und dem großen Talent Elia vom HSV zudem weitere Hochkaräter auf ihre Einsätze, so dass van Marwijk locker auf einen Goalgetter wie Ruud van Nistelrooy verzichten kann, dessen Zenit tatsächlich längst überschritten scheint. In der Viererabwehrkette und im Tor stehen dem seit 2008 in der Verantwortung befindlichen Coach zudem erfahrene Spieler zur Verfügung, die zumindest in der Qualifikation, kaum Schwächen zeigten.
Voraussichtliche Aufstellung: Stekelenburg – Ooijer, Heitinga, Mathijsen, van Bronckhorst – van Bommel, de Jong – Kuyt, Sneijder, Robben – Huntelaar
In München nur 0:1 zu verlieren, das ist schon eine feine Leistung.
— Fußball-Fan Udo Jürgens nach einem Spiel des FC Bayern gegen den VfL Bochum (1:0).