Wenn einer afrikanischen Mannschaft der Einbruch in die europäische und südamerikanische Weltcup-Phalanx zugetraut wurde, war in der Vergangenheit meist von Nigeria die Rede. In der erstmals auf dem Schwarzen Kontinent ausgetragenen Weltmeisterschaft könnte diese Vision reale Konturen bekommen. Ein „alter“ Schwede will die Flughöhe der „Super Eagles“ steigern.
„Ich denke, es ist eine realistische Chance vorhanden, dass Nigeria bei der Weltmeisterschaft in Südafrika weit kommt“, meinte der schwedische Coach Lars Lagerbäck, als er die „Super Eagles“ Ende Februar 2010 übernahm. Zwei Achtelfinalteilnahmen stellen die bis dato besten WM-Platzierungen des bevölkerungsreichsten afrikanischen Staates (ca. 140 Millionen) dar. 1994 unterlag man den Italienern nur knapp und unglücklich mit 1:2, während die 1:4-Pleite gegen Dänemark aus dem Turnier des Jahres 1998 eine deutliche Abfuhr war.
In Sachen „Abfuhren“ hat Lagerbäcks Amtsvorgänger, der Nigerianer Shaibu Amodu, mit dem Fußballverband Nigerias (NFF), bei dem er vier Mal anheuerte und ebenso oft auseinander ging, einige Erfahrungen. Amodu schaffte mit den „Super Eagles“ die WM-Quali, musste aber einem Coach weichen, dem dies an anderer Stelle nicht gelang: dem Schweden Lars Lagerbäck. Jener hatte mit dem Drei-Kronen-Team das Südafrika-Ticket verpasst und deshalb - nach 19-jähriger Tätigkeit beim schwedischen Verband - seinen Rücktritt erklärt. Kurzfristig fanden Lagerbäck und der NFF zusammen. Amodu wurde zum Verhängnis, dass Nigeria im Halbfinale des Afrika-Cups an Ghana scheiterte (0:1, im Januar 2010). Ein Deja-vu für den nigerianischen Coach: Im Frühjahr 2002, während eines früheren Engagements bei den „Super Eagles“ hatte er die Mannschaft ebenfalls zur WM-Teilnahme geführt - um dann wegen des vorzeitigen Ausscheidens im Afrika-Cup gefeuert und um die WM-Teilnahme gebracht zu werden.
Nicht zuletzt die schwierige Qualifikation - Nigeria sicherte seinen Startplatz erst am letzten Spieltag, weil Tunesien patzte - ernüchterte die Euphorie um die „Super Eagles“, die seit Langem zu Afrikas Spitzenteams zählen. Den Durchbruch einer Mannschaft vom Schwarzen Kontinent bei einer Weltmeisterschaft blieben bislang auch die „Super Eagles“ schuldig. Die Herausforderung in Südafrika 2010 beginnt mit einem Härtetest: Zum Auftakt misst sich Nigeria mit Argentinien, dem erklärten Favoriten der Gruppe B und engeren Kandidaten für den Titel. Für eine adäquate Bewertung und Nachbearbeitung dieser Partie scheint der pragmatische Lagerbäck die richtige Person zu sein. Denn: Weder würde eine Niederlage alle Hoffnungen zunichte machen, noch ein Sieg Nigeria automatisch in die nächste Runde bringen. Die anderen Gruppengegner, Griechenland und Südkorea, dürften es gegen die „Super Eagles“ schwer haben, sich durchzusetzen.
Nigerias Team ist fast durchgehend mit in Europa beschäftigten Profis besetzt. Neben ihrer Athletik und Ballfertigkeit zeichnet die Spieler dementsprechend ein gewisser Erfahrungsschatz aus. Ob „Oldie“ Nwankwo Kanu (Jahrgang 1976, FC Portsmouth) in den 23er Kader rutscht, steht noch offen. Dagegen scheint die Endrundenteilnahme der beiden Bundesligaakteure Obasi (Hoffenheim) und Martins (Wolfsburg) ziemlich gesichert. Martins´ 3:2-Siegtreffer gegen Kenia in der Qualifikation ermöglichte überhaupt erst die WM-Teilnahme. Ob diese dann in den Titelgewinn mündet, wie Nigerias Staatspräsident Goodluck Jonathan optimistisch bei der Abreise der Mannschaft äußerte ("Ich gehe davon aus, dass die Mannschaft sich gut vorbereitet und den Pokal holt"), kann man schmunzelnd registrieren. Lagerbäcks weniger konkretes „weit Kommen“ muss jedoch ernster genommen werden.
Mögliche Aufstellung: Enyama - Echiejile, Shittu, Ayila, Mohamed - K. Uche, Mikel, Etuhu, Kaita - Odemwingie, Obasi
André Schulin
Als Saisonziel nur über den Klassenerhalt zu reden, das geht nicht.
— Martin Kind, Präsident von Hannover 96.