Noch schlimmer als sonst

von Günther Jakobsen12:57 Uhr | 16.02.2006

Dreieinhalb Millionen Menschen leben in Berlin – ganze 13.000 davon wollten die Hertha im UEFA-Cup gegen Bukarest sehen. Der Bundesligist demonstrierte erneut eindrucksvoll, warum er keine Fans hat und verlor das Hinspiel gegen den dreimaligen rumänischen Meister mit 0:1.

Auf die Frage nach dem Trainerschicksal wollte Dieter Hoeneß nicht eingehen. Vielleicht war er froh, nur danach gelöchert zu werden, auch seinen Kopf nämlich hatten die Zuschauer deutlich hörbar gefordert. Hertha ist ohnehin nicht unbedingt die Mannschaft der Stunde. In der Liga warten die Berliner seit Anfang Dezember auf einen Sieg, im UEFA-Cup steht sogar nur ein Tor in jetzt fünf Spielen zu Buche. Und das hatte auch noch der Gegner erzielt. Die Vorstellung gegen Rapid Bukarest, wahrlich keine große Nummer im europäischen Fußball, war allerdings noch armseliger als alle Auftritte der letzten Monate. Von Beginn an konnte der Gast den Ball laufen lassen, ohne gestört zu werden. Weil Rapid auch konsequent in die Zweikämpfe ging, war Chahed und Fathi auf den Außenbahnen früh die Luft genommen. Sverkos hing als einzige Spitze so völlig im Raum, zumal Marcelinhos Lustlosigkeit diesmal nicht von Gilberto und Bastürk kompensiert werden konnte. Nach 35 Minuten flankte Cairo auf Marcelinho, aber dessen Schuss wurde abgeblockt. Das war alles von der Hertha, die froh sein konnte, dass Madlung einen Friedrich-Lapsus nach 15 Minuten gerade noch hatte bereinigen können.

Nach dem Wechsel etwas mehr Offensivdrang der Hausherren. Da aber mit diesem Sturm kein Blumentopf zu gewinnen war, musste sich der Kapitän öfter in den Angriff einschalten, was den Gästen wiederum Raum für Konter bot. Einen solchen nutzte Buga fast zum 0:1, als er vom Strafraumeck aufs Tor schoss und Chahed Fiedlers Abklatscher fast ins eigene Tor geschlagen hätte (52.). Hertha war nun latent überlegen, doch die Rumänen hatten inzwischen Lunte gerochen und wollten mehr als einen Punkt. Nach einem weiteren Konter zog Madlung Niculae die Beine weg – leider im Strafraum. Negru lief zum Strafstoß an und traf (67.). Nun lief das Spiel komplett gegen die Berliner, denn acht Minuten später zückte Schiri Gonzales die Rote Karte gegen Boateng, der mit sehr hohem Bein in einen Mittelfeldzweikampf gegangen war. Eine harte Entscheidung, doch umso dümmer die folgende Aktion von Madlung, der nach einer Freistoßflanke von Cairo den Ball mit der Hand spielte und, bereits gelbverwarnt, ebenfalls vom Platz flog. Zu neunt wollte dann erst recht kein Offensivdrang mehr entstehen, obgleich Samba noch zwei Kopfballchancen hatte und Okoronkwo einen semigefährlichen Schuss abfeuern konnte. So blieb es bei der knappen Niederlage und damit einer miesen Ausgangslage fürs Rückspiel in Bukarest. Zwar hätte ein 0:0 dem Hertha-Spiel besser Ausdruck verliehen, das aber hätten die wenigen Fans wohl auch nicht wohlwollender quittiert.

Maik Großmann



Früher waren Spieler nach einer Niederlage tagelang am Boden zerstört. Heute verlieren Spieler, machen dann ein Selfie, stellen es ins Internet und alles ist gut. Das ekelt mich an.

— Ivan Gennaro Gattuso