Flink, aggressiv und im Team stark – so will sich Nordkorea bei der WM präsentieren. Trotz etlicher Erfolge im Nachwuchsbereich und im asiatischen Verband setzte die Mannschaft bei vergangenen Weltmeisterschaften kaum Ausrufezeichen und auch dieses Jahr wird die Volksrepublik es schwer haben.
Lange brauchte der koreanische Frauenfußball, um im internationalen Vergleich Fuß zu fassen. Das erste offizielle Länderspiel wurde 1989 ausgetragen (1:4 gegen China), doch es dauerte ein volles Jahrzehnt, bis man bei seiner ersten Weltmeisterschaft teilnahm. In einer Gruppe mit den USA, Nigeria und Dänemark gewannen die Nordkoreanerinnen lediglich gegen die europäische Vertretung und schieden somit als Gruppendritter aus. Bei den Asienmeisterschaften 2001 setzte sich die Nationalmannschaft Nordkoreas im Finale gegen Japan durch (2:0) und krönte sich erstmals zum asiatischen Meister. Im Halbfinale gelang beim 3:1 zum allerersten Mal ein Erfolg über die Auswahl Chinas, die bis dahin eine Art Vormachtstellung im AFC innehatte. 2003 wurde Nordkorea erneut Asienmeister, im Finale besiegte man China mit 3:1. Trotz aller Erfolge im heimischen Verband war die Mannschaft jedoch auch bei der Weltmeisterschaft 2003 nicht in der Lage, die Gruppenphase zu überstehen. Einem Sieg über Nigeria folgten Niederlagen gegen Schweden und die USA, was das Aus bedeutete. Nachdem die Nordkoreanerinnen bei den Asienmeisterschaften 2006 einen dritten Rang erreicht und sich somit erneut für eine WM qualifiziert hatten, traf man 2007 zum dritten Mal hintereinander auf die USA und Nigeria und zum zweiten Mal auf Schweden. Gleich zu Beginn holten die „Chollima“ (kor. „Tausend-Meilen-Pferd“) ein überraschendes 2:2 gegen den Titelkandidaten USA, danach wurde Nigeria mit 2:0 bezwungen. Man zog trotz einer Niederlage gegen Schweden ins Achtelfinale ein, dieses verlor Nordkorea dann jedoch mit 0:3 gegen den späteren Weltmeister Deutschland. Im Jahr darauf gewannen die Nordkoreanerinnen ihren dritten Asienmeistertitel, im Finale bezwangen sie China mit 2:1.
Der Aufschwung des Frauenfußballs der Volksrepublik zeigt sich trotz der Erfolge bei den letzten Asienmeisterschaften und dem erstmaligen Überstehen der Vorrunde bei der WM 2007 vor allem in den Nachwuchsmannschaften. 2006 feierte die U-20 in Russland den Weltmeistertitel, 2008 gelang dies der nordkoreanischen U-17.
Die Asienmeisterschaft 2010 war gleichzeitig das Qualifikationsturnier für die WM 2011. Mit zwei Siegen (3:0 über Thailand und 2:0 über Myanmar) und einer Niederlage (1:2 gegen Japan) zog Nordkorea ins Halbfinale ein. Dort traf man auf den Erzrivalen aus China und gewann nach Verlängerung mit 1:0. Obwohl die Chollima das Finale nach Elfmeterschießen 4:5 (1:1 n.V.) gegen Australien verloren, qualifizierten sie sich durch den Finaleinzug für die Weltmeisterschaft.
Mit drei erzielten Toren teilte sich Mittelfeldspielerin Jo Yun-Mi (23, 4.25 Sports Team) die Torjägerkrone mit drei weiteren Spielerinnen. Einen individuellen Titel errang die U-20-Weltmeisterin von 2006 dennoch, denn sie wurde zur besten Spielerin des Turniers gewählt. Bei der Wahl zur Weltfußballerin 2010 war sie unter den besten zehn, hatte jedoch wie alle anderen keine Chance gegen die Brasilianerin Marta. Unterstützung erhält Jo im offensiven Mittelfeld von Kim Kyong-Hwa (25, 4.25 Sports Team), ebenfalls U-20-Weltmeisterin; die Abwehr hält Song Jong-Sun (30, Amrokgang Sports Team) zusammen.
Die wohl bekannteste Spielerin Nordkoreas ist Ri Kum-Suk (32, ehemals 4.25 Sports Team). Die Rekordnationalspielerin und ehemalige Spielführerin hat allerdings ihre internationale Karriere beendet und widmet sich nun der Familie und einer Trainerausbildung.
Trainer Kim Kwang-Min tritt in Deutschland mit einem Team an, das sehr kampfstark ist und vor allem von der Mannschaftsleistung lebt. Die individuelle Klasse einer Jo Yun-Mi ist unbestritten, sie wird bei der WM Dreh- und Angelpunkt der Mannschaft sein, dies beschränkt sich jedoch auf die Offensive. Im Abwehrbereich sind die Nordkoreanerinnen zwar bissig, aber anfällig, was Stellungsspiel und Körpergröße angeht. Jüngste Testspiele (0:1 gegen Belgien, 0:2 gegen Deutschland, 1:1 gegen die Niederlande, 1:0 über China) haben gezeigt, dass Nordkorea zwar mithalten, sich am Ende aber oft nicht entscheidend durchsetzen kann. Der starke Nachwuchs des U-20-Weltmeisterteams von 2006 ist mittlerweile in die Mannschaft integriert und kann in der Offensive für einige Überraschungen sorgen. Neben Kolumbien trifft man bei der WM jedoch erneut auf die USA und Schweden, was das Überstehen der Gruppenphase zu einem schwierigen Unterfangen macht. Wenn Nordkorea sich allerdings auf seinen Kampfgeist verlässt und das spielstarke Mittelfeld zur Entfaltung kommt, ist für die den Weltranglistensechsten das Achtelfinale möglich.
Lisa Ramdor
Jetzt falle ich nicht mehr so tief.
— Andre Lenz, Torwart von Alemannia Aachen, nachdem der Platz begradigt wurde