Nur 90 Sekunden Unklarheit

Nicht ganz wohlmeinende Zungen behaupteten schon vor dem Spiel, dass die verunsicherte Eintracht gegen die zuletzt recht entfesselt auftretende Veh-Truppe klar untergehen würde. Diese Vorhersager trafen absolut ins Schwarze. Neunzig Minuten kam wohl auch kaum ein Zuschauer dieser Partie auf die Idee, dass die Hausherren hier hätten gewinnen können.
Die zuletzt auf niedrigem Bundesliganiveau stagnierenden Frankfurter mussten nicht nur auf den erneut knieverletzten Jermaine Jones verzichten, sondern wurden auch noch eiskalt erwischt. Mit einer Bilderbuchkombination spielte sich das junge VfB-Team nach einer guten Spielminute wie an der Schnur gezogen durch die hessischen Slalomstangen. Gomez passte zuletzt von halbrechts quer vor den Torraum und Hilbert bugsierte die Kugel über die Linie (2.). Der Heimelf sackte nach diesem Schock jegliche Sicherheit weg, und sie raffte sich gerade noch dazu auf, nicht gleich weitere Treffer einzustecken. Nach vorne lief nämlich gar nichts, während Stuttgart bei weiteren guten Offensivansätzen nur im Abschluss die Konzentration fehlte. Allerdings nicht lange. Gerade war die Eintracht zu einem ersten Eckball gekommen, da setzte sich der VfB bereits wieder vor dem Tor von Nikolov fest. Ein ähnlich flotter Spielzug, diesmal über links, lief über Hitzlsperger zentral auf Gomez, der sich trotz Zangenabwehr durchsetzte und am aus demTor hastenden Eintracht-Keeper flach vorbei zum 2:0 traf (16.). In der folgenden Viertelstunde setzte der VfB offensiv nicht mehr so eifrig nach, während die Frankfurter langatmig und mit vielen Fehlpässen verzweifelt versuchten, etwas mehr Ballsicherheit zu gewinnen. Zwar hatte Meier kurz nach dem 0:2 eine Riesenmöglichkeit (übers Tor), doch mehr kam vorerst nicht. Erst nach 28 Minuten holte die Eintracht zum nächsten gefährlichen Versuch aus, doch Meier kam knapp nicht an einer Ochs-Flanke heran. Ein Fallrückzieher von Takahara (33.) und ein Freistoß von Streit (37.) wurden eine Beute Hildebrands, der aber auch Glück hatte, weil Vasoski frei vor ihm über den Ball säbelte (38.). Nach einem weiteren abgeblockten Takahara-Versuch (43.) kam die ganz kalte Dusche auf der Gegenseite. Plötzlich tauchten nämlich die Verteidiger Magnin und Osorio vor dem Kasten der Funkel-Elf auf. Der Schweizer dribbelte sich links durch und der Mexikaner knallte die Vorlage konzentriert ins Tor (44.). Sensationell effektive Schwaben führten somit zur Halbzeit so gut wie uneinholbar.
Mit den Einwechslungen Amanatidis und Preuß wollte Funkel neue Akzente setzen, doch erst in der 56. Minute sah es kurz nach einem Erfolg aus. Kyrgiakos traf aus dem Hinterhalt nur den rechten Pfosten und beim Nachsetzen stand Amanatidis im Abseits. Aber die Hessen zeigten Moral, erkämpften und erspielten sich den ein oder anderen Vorteil am VfB-Strafraum, doch der letzte Pass war durchweg fehlerhaft. Die Schwaben meldeten sich offensiv in der 70. Minute nach einem Cacau-Freistoß zurück, doch Tascis Kopfball war keine Herausforderung für Nikolov. Das Spiel drohte gerade wieder einzuschlafen, da rammte Huggel recht unnötig Gomez im Strafraum um. Hitzlspergers Elfer wehrte Nikolov zwar reaktionsschnell ab, doch im Nachschuss traf der Nationalspieler (78.). Die Eintracht war nun völlig gebrochen und der VfB schaukelte das Ding, das im Prinzip nach 90 Sekunden seinen erwarten Verlauf genommen hatte, locker über die Ziellinie.
Ulrich Merk