Beide Klubs waren bereits Deutscher Meister, feierten DFB-Pokal-Triumphe und erwarben sich mit ihren Erfolgen und Spielweisen bundesweite Sympathien. Auch Abstieg, Jahre in der Zweitklassigkeit sowie anschließendes Erstliga-Comeback sind Erfahrungen, die Stuttgart und Dortmund teilen. Finanziell liegen die Traditionsklubs mittlerweile weit auseinander - sportlich, in der Liga, beträgt der Abstand aktuell aber nur drei Punkte. Die Entwicklungen beider Vereine im Abriss.
Sundermanns stürmische Schwaben
Der VfB gehörte 1963 zu den Gründungsmitgliedern der Bundesliga und beendete die erste Saison als Tabellenfünfter. Nach jahrelanger Positionierung im Mittelfeld stürzte der Klub 1975 unerwartet ab und fand sich urplötzlich in der Zweiten Liga wieder. In der Spielzeit 1977/78 kehrte der VfB Stuttgart nach zweijährigem Zweitligaintermezzo wieder in die höchste Spielklasse zurück und wirbelte mit frischem Elan durch die Liga. Der bis dahin als Trainer noch nicht hervorgetretene Jürgen Sundermann ließ seine Schützlinge, weitestgehend bar etwaiger taktischer Zwänge, ungebremst offensiv agieren. Das mutige, attraktive Spiel wurde mit Platz vier im Aufstiegsjahr belohnt und Sundermann als „Wundermann“ gefeiert. Die Jungspunde „Hansi“ Müller und Karl-Heinz Förster stiegen zu Gallionsfiguren der neuen Stuttgarter Fußballherrlichkeit und festen Größen im Nationalteam auf. An der Krönung dieses VfB-Aufschwungs, dem Titelgewinn 1984, nahmen Sundermann (ging 1982 nach Schalke) und Müller (Inter Mailand) dann nicht mehr teil.
Das „Magische Dreieck“
Zwischen 1995 und 1997 servierte der VfB wieder fußballerische Feinkost. Das „Magische Dreieck“ - Balakov, Bobic und Elber, Herzstück des VfB-Teams dieser Jahre - bestach durch Spielfreude, traumhaft sicheres Verständnis und Bilderbuchtore. Im DFB-Pokalerfolg 1997 des VfB gipfelte dieses oftmals geniale Zusammenspiel - und endete zugleich, da Elber anschließend zu den Bayern wechselte.
Die Europapokalhelden
Auch Dortmund zählte von Beginn an zum Bundesligastamm und erreichte im Gründungsjahr Platz vier, punktgleich mit den Stuttgartern. Die Borussen behaupteten sich in den folgenden Jahren in der Bundesligaspitze, bundesweite Zuneigung erwarben sich die Schwarz-Gelben jedoch durch ihren Europapokalerfolg im Jahre 1966 (Pokalsieger-Wettbewerb). Der Cup-Sieg von Lothar „Emma“ Emmerich, Reinhard „Stan“ Libuda, Siggi Held und Co. riss ganz Fußball-Deutschland von den Sitzen und läutete eine glanzvolle Ära deutscher Erfolge im europäischen Fußball ein. Besonders wertvoll wurde Dortmunds Titel, der erste Europapokalerfolg einer deutschen Mannschaft, da er gegen die kampfstarken britischen Teams von West Ham United (im Halbfinale) und im Endspiel gegen den haushohen Favoriten FC Liverpool (2:1, in Glasgow) erzielt wurde. Die Borussia hatte bewiesen, dass sie kämpferisch auch international mit jedem Gegner mithalten konnte. Vor dem Bundesligaabstieg 1972 bewahrte dieser Titel den BVB allerdings auch nicht.
Durchbruch mit Hitzfeld
Vier Jahre darbten die Schwarz-Gelben in der Zweiten Liga, dann meldeten sie sich zurück im Oberhaus. Zunächst blieben die Platzierungen durchwachsen. Das änderte sich anfangs der 90er-Jahre, als, einhergehend mit einer erfolgreichen, wirtschaftlichen Vereinspolitik, mit der Trainerverpflichtung Ottmar Hitzfelds der Grundstein für Borussias Durchmarsch an die nationale (Meister 1995, 1996 und 2002), wie internationale Spitze (Champions-League 1997) gelegt wurde.
Der Bundesliga-Vergleich
69-Mal gab es das Duell VfB Stuttgart gegen Borussia Dortmund. Mit 30 Siegen - bei 23 Dortmunder Erfolgen, 16-Mal trennte man sich Unentschieden - liegen die Schwaben in diesem Vergleich vorn. Oftmals verliefen die Partien torreich. Nicht von ungefähr nimmt in der Statistik beider Klubs diese Paarung deshalb exponierte Stellungen ein. Stuttgarts 7:0 aus der Saison 1990/91 steht mit zwei weiteren 7:0-Erfolgen (gegen Nürnberg und Hannover) als höchster VfB-Heimsieg in den Vereinsannalen. Allerdings markiert das 0:5 aus der Saison 1995/96 gegen die Borussen auch die höchste Niederlage auf heimischem Grund - gleichzeitig Dortmunds höchster Auswärtssieg.
Ausgang offen
Der VfB gewann in der Bundesliga zweimal den Titel, der BVB war dreimal erfolgreich. Stuttgart holte den DFB-Pokal dreimal, Dortmund schnappte sich den Pott zweimal. Die Erfolgsstatistik auf nationaler Ebene liest sich recht ausgeglichen und die Historie beider Bundesligisten weist viele Ähnlichkeiten auf, allein der gegenwärtige Status differiert erheblich. Auf der einen Seite die hoch verschuldeten Schwaben, andererseits die börsennotierten Westfalen. Die Stuttgarter mussten in ihrer finanziellen Not auf talentierte „junge Wilde“ setzen - und die stehen mit ihrem erfrischenden, technisch ansprechenden Offensivfußball in der Tradition früherer, spielstarker VfB-Teams. Erfolgreich sind sie obendrein. Fazit: der VfB hat bislang die Erwartungen übertroffen. Dortmund, seit jeher mehr dem „Fußball arbeiten“ verbunden, tut sich hingegen schwer, mit seinem hochkarätig besetzen Kader spielerischen Glanz zu verbreiten. In dieser Saison lieferte die Sammer-Elf meist nüchternen Zweckfußball ab. Gleichwohl, die Ergebnisse stimmten zumeist. Das Spiel VfB gegen BVB könnte somit unter dem Motto „Offensivdrang gegen Effektivität“ stehen. Ausgang völlig offen.
André Schulin
Ich spiele weiterhin mit Risiko. Schließlich profitieren alle davon: Wir, das Publikum und auch der Gegner.
— Aad de Mos als Trainer von Werder Bremen