Zumindest in der Verfolgergruppe wollten sich die Schwaben gern wieder wissen, nach einer Weile aber erschrak der Meister über sich selbst. Nicht in der Liga und noch weniger in der Champions League fand der VfB seinen Platz, sondern stolperte der Musik nur hinterher. Durch ein hartnäckiges Personalproblem, das nicht zuletzt die Neuzugänge betraf, wandelte sich der Überflieger endgültig zur Pechmarie. Verloren scheint allerdings noch nichts.
Für das Jahr eins nach dem großen Coup gaben sich Horst Heldt und Armin Veh ausdrücklich moderat und peilten lediglich den Europapokal an. Früher als gedacht behielten sie Recht. Einer glatten Pleite im Ligapokal folgte eine Beinahe-Blamage in Wehen Wiesbaden, als nur ein Elfmetertor in der Nachspielzeit den Einzug in die nächste Pokalrunde sicherte. Grundsätzlich stand dem Meister die Welt völlig offen. Bis auf Timo Hildebrand und Marco Streller blieb der Kern der Mannschaft erhalten und wurde durch Spieler wie Ewerthon, Bastürk und Gledson zumindest nominell auch hochattraktiv ergänzt. Für das Großtalent Marica legte die Vereinsführung außerdem glatt sieben Millionen Euro auf den Tisch. Trotzdem wurde die Hinrunde zur Odyssee. Beim Auftakt gegen Schalke (2:2) schien die Welt noch in Ordnung, danach aber entwickelte sich Stuttgart zurück. Unnötig setzte es sowohl in der Hauptstadt (1:3) als auch beim lang ersehnten Derby in Karlsruhe (0:1) frühe Niederlagen, die zu reparieren schwere Arbeitssiege gegen Duisburg (1:0), Cottbus (3:0) und Bochum (1:0) nicht genügten. Perfekt wurde der Fehlstart dann mit dem ersten Auftritt in der Königsklasse, denn bei den Glasgow Rangers führten die Schwaben bereits mit 1:0, zogen ohne Not aber noch den Kürzeren und hatten damit das Schlüsselspiel bereits verloren. Ein 1:4 in Bremen markierte noch nicht mal den Tiefpunkt, denn zwischen drei Ligapleiten gegen Rostock, Hannover und den HSV verspielte der VfB auch noch die Champions League, unterlag sowohl Barcelona (0:2) als auch Lyon (0:2). Schon nach einem Drittel der Saison war alle Meistereuphorie verflogen.
Nachzuvollziehen blieb der Absturz nur in Teilen. Anders als im Meisterjahr etwa spielte Stuttgart nicht mehr die Rolle des stillen Verfolgers, sondern stand erheblich mehr im Rampenlicht. Darin war das Team nicht erprobt. Einfache Fehler entsprangen aber auch dem fehlenden Rhythmus, denn kein einziger Feldspieler kam auf den vollen Wert von 17 Partien. Nationalstürmer Mario Gomez, der trotzdem noch am häufigsten traf, fehlte ganz am Anfang sowie auch gegen Ende. Zwischendrin fiel Thomas Hitzlsperger aus, mitunter auch Khedira, Osorio, da Silva und oft genug Cacau. Die Neuzugänge Ewerthon und Bastürk, von denen man sich besonders viel versprochen hatte, gingen unfit in die Saison und fassten niemals richtig Fuß. Kampfansagen oder Trotzreaktionen wurden jedoch vermisst. Fernab des personellen Kummers erkannte man den VfB der Vorsaison, mit seinem freudvollen Spiel und seiner frechen Penetranz, kaum mehr wieder. Ihn zu besiegen, wirkte oftmals viel zu leicht. Eine Kostprobe ihres Potenzials zeigten die Schwaben dann aber doch. Mit einem 1:0 über Leverkusen (11. Spieltag) und einem Zittersieg im DFB-Pokal (3:2 n.V. gegen Paderborn) warf das Team seine Fesseln allmählich ab und landete beim Krisengipfel in Nürnberg (1:0) sogar den ersten Auswärtssieg. Was folgte, war der Höhepunkt der bisherigen sowie auch Hoffungsernährer der weiteren Saison: Als erster und einziger Klub der Halbserie besiegte die Veh-Elf den FC Bayern und spielte ihn wie im Vorjahr sogar an die Wand (3:1). Auch wenn der Rest der Hinrunde wieder Rätsel aufgab, gegen Dortmund (1:2) und in Bielefeld (1:2) nicht nachvollziehbar verloren und auch die Königsklasse endgültig in den Sand gesetzt wurde, so mag in diesem Spiel dennoch ein Schalter umgelegt worden sein. Mit weniger Verletzten und besseren Nerven sowie auch befreit von der Belastung der Champions League sollte sich der Meister aus dem Niemandsland befreien können. Zu großen Taten jedenfalls weiß er sich nach dem Bayern-Sieg noch immer imstande.
Maik Großmann
Glauben Sie, ich hätte jemals einen Spieler eingesetzt, der mit einer Wampe ankommt und das dann auch noch mit Merchandising-Produkten feiert?
— 1860-Trainerlegende Werner Lorant über Sascha Mölders, der von den ,,Löwen" zu Sonnenhof Großaspach in die Regionalliga Südwest wechselte.