Die Kräfteverhältnisse zwischen dem Vierten der letzten WM aus Asien und dem Neuling aus Afrika schienen vor der Partie klar verteilt. Doch erst ein nachdrücklicher Weckruf ihres Trainers brachte Südkorea auf Siegkurs.
Nach dem Tohuwabohu um Coach Otto Pfister und die Prämienzahlungen lieferte Togo unter dem geschlossenen Faltdach des Frankfurter WM-Stadions im ersten Durchgang eine selbst von Experten nicht für möglich gehaltene Leistung ab. Natürlich lag dies auch an Südkorea, die ihrer Favoritenrolle zunächst nicht ansatzweise gerecht wurden. Tausende Fans der Asiaten kreischten zwar bei jeder Ballberührung ihrer Lieblinge ohrenbetäubend, was die Angefeuerten jedoch nicht zu einer vorzeigbaren Leistung motivierte. Ein harmloser Freistoß von Jin Kyu Kim aus gut 30 Metern weit neben das Tor war der traurige Höhepunkt einer harmlosen Offensive. Vom erwarteten deutlichen Leistungsunterschied war bei unerträglicher Schwüle auf dem Platz nichts zu sehen - ganz im Gegenteil. Wenn es in einer durchwachsenen ersten Halbzeit gefährlich wurde, dann waren die Afrikaner dafür verantwortlich. Die Togolesen überzeugten mit eiserner Disziplin in der Rückwärtsbewegung, ehe sie nach gut zwanzig Minuten hin und wieder auch den Weg nach vorne suchten. Nachdem die spielerischen Mängel beider Mannschaften die Abwehrreichen lange Zeit vor keine ernsthaften Probleme stellten, schlug es in der 31. Minute aus heiterem Himmel bei den Südkoreanern ein. Ein langer Ball aus dem Mittelfeld landete zwischen den Innenverteidigern bei Mohamed Kader, der aus 14 Metern einen trockenen Flachschuss unhaltbar in der langen Ecke versenkte. Wer nun ein Aufbäumen der Asiaten erwartete, sah sich massiv getäuscht. Durchschaubar und einfallslos rannten sich die Rothemden immer wieder in der stabilen Defensive der Togolesen fest, die kurz vor dem Wechsel ihren Vorsprung fast noch ausgebaut hätten. Doch den Freistoß von Senaya lenkte Torhüter Woon Jae Lee mit einer Glanzparade über den Querbalken (42.).
Eine lautstarke Kabinenpredigt von Dick Advocaat führte bei seinen Schützlingen zu einer erkennbaren Leistungssteigerung. Die erste Aktion nach Wiederbeginn gehörte jedoch dem Außenseiter, der sein frisch erworbenes Selbstvertrauen mit einem Schrägschuss von Kader bewies, den Torhüter Woon Jae Lee sicher parierte (49.). Aber Südkorea war nun spürbar aufgewacht und kombinierte deutlich zielstrebiger. Dies resultierte in einem Foul an der Strafraumgrenze von Jean-Paul Abalo, der dafür vom Schiedsrichter die Ampelkarte kassierte. Den fälligen Freistoß zirkelte Chun Soo Lee über die unbewegliche Mauer ins Netz. Auch Keeper Agassa machte bei diesem Treffer keine glückliche Figur (54.). Durch dieses Tor nahm die Begegnung endlich die lange vermisste Fahrt auf. Die taktischen Fesseln wurden abgestreift, so dass sich ein packendes Duell entwickelte. Die Asiaten waren zwar großteilig am Drücker, Chancen stellten sich allerdings auf beiden Seiten ein. Zunächst verhinderte Agassa einen Rückstand seiner Mannschaft mit einer großartigen Parade (63.), ehe Salifou auf der Gegenseite gleich bei zwei Schussgelegenheiten das nötige Zielwasser fehlte (64., 65.). Doch die optische Überlegenheit der Asiaten schlug sich nach 72 Minuten auch im Ergebnis nieder, als der eingewechselte Jung Hwan Ahn aus 18 Metern halbrechter Position mit einem nicht unhaltbar scheinenden Schuss traf. Kurz darauf hatte Ahn sogar die Vorentscheidung auf dem Fuß, brachte den Ball aus spitzem Winkel aber nicht an Togos Keeper vorbei (76.). Eine Aufholjagd der Afrikaner wurde in der Schlussphase immer unwahrscheinlicher, da in Unterzahl die Kräfte spürbar schwanden und die Ordnung in der Abwehr zunehmend verloren ging. Südkorea war nicht nur numerisch sondern auch moralisch im Vorteil und drückte dem Spiel nun endlich seinen Stempel auf. Die Togolesen mühten sich nach dem Rückstand zwar redlich um ein Remis, kamen aber nicht mehr gefährlich vor das gegnerische Tor. Südkorea ließ den Ball mehr oder weniger geschickt durch die eigenen Reihen laufen und fuhr letztlich einen insgesamt glücklichen Erfolg ein.
Kai Endres
Seitdem versuche ich bei jeder Berührung, bei jedem Foul, im Gegner zuerst den Menschen zu sehen.
— Toni Schumacher