Rechtzeitig wiederbelebt

von Günther Jakobsen09:35 Uhr | 17.04.2009

Für seine letzten Meter ins Ziel suchte Werder noch einmal den ganz großen Nervenkitzel und brachte fertig, das schöne 3:1-Hinspielpolster auf haarsträubende Weise noch vor der Pause zu verspielen. Als das erheblich motiviertere Udine dem Wunder am nächsten war, riss allein Diego das Ruder schließlich herum und ersparte den Bremern mit zweieinhalb Toren zum 3:3-Endstand eine große Blamage. Mit Erleichterung statt Freude löste Grün-Weiß damit sein Ticket für den großen HSV-Marathon.

Angeblich bis zur letzten Sekunde musste Thomas Schaaf um den Einsatz von Diego bangen, der schon das letzte Bundesligaspiel wegen einer Muskelverhärtung nicht mitgemacht hatte. Niemand aber hatte geahnt, wie bedeutend diese Entscheidung wirklich sein sollte. Die Hanseaten begannen noch relativ flott und machten mit ihren ersten Aktionen glaubhaft, dass sie alle Zweifel am Weiterkommen so bald wie möglich ausräumen wollten. Fast komplett spielte sich die erste Viertelstunde in der Hälfte der Gastgeber ab. Was die Bremer danach aber darboten, war eine einzige Sünde. Ein Mix aus Halbherzigkeit und Unglück brachte die Gäste zunächst in Rückstand, als Inler aus mehr als 25 Metern unbedrängt einen Schuss abfeuerte und mit der ersten Offensivaktion der Hausherren zum 1:0 traf (15.). Diesen Unfall konnte Diego dann sogar reparieren, als er mit einer herrlichen Einzelleistung mehrere Verteidiger narrte und aus einer plötzlichen Drehung heraus aus 13 Metern das 1:1 aus dem Hut zauberte (28.). Nur noch ein sehr dummer Spielverlauf konnte die technisch klar überlegenen Bremer nun noch gefährden. Doch Werder wollte nicht hören und erlaubte sich eine Resthalbzeit, die es sich bei einem anderen Spielausgang so schnell nicht verziehen hätte. Nur zwei Minuten nach dem Ausgleichstreffer reichte ein guter Pass, um Quagliarella allein auf Tim Wiese zu schicken. Als dieser überhastet auf dem Tor kam, lupfte Udines Angreifer mühelos ein und nutzte gleich darauf – nachdem Almeida gerade eine Großchance aufs 2:2 versemmelt hatte - dann auch noch der Gastgeber dritte Tormöglichkeit, um mit einem versteckten und technisch ansprechenden Linksschuss sogar auf 3:1 zu erhöhen (38.). Schon zur Pause hatten die Italiener damit genügend Lücken in Werders Abwehr entdeckt, um das Resultat aus dem Hinspiel zu egalisieren.

Was Bremen mit seiner lustlosen Darbietung alles aufs Spiel setzte, muss auch dem Letzten in der Halbzeitpause klar gemacht worden sein. Die Schaaf-Elf erlaubte ihrem Gegner nun nicht mehr alles, wählte eine intelligentere Verteidigung und setzte endlich auch ihre bislang verkümmerten Offensivqualitäten ein. In mehreren Szenen sollte den Gästen dabei auch das Glück zur Seite stehen. So erhielt Almeida weit vor Spielende nach einer Kopfnuss nur Gelb, außerdem vergaben Pepe (63.) und der auffällige Inler (69.) noch zwei sehr gute Chancen; zwischendrin traf Asamoah sogar an den Pfosten. Dass man gegen Udine keineswegs ausscheiden musste, wurde in dieser Phase allerdings ebenfalls deutlich. Und so nahm sich Werder letztlich nur, was ihm zustand, und zwar erneut in Person von Diego, dem ohnehin in Italien derzeit große Aufmerksamkeit gilt und der genau wie im Hinspiel der Partie schließlich seinen Stempel aufdrückte. Als Almeida eine Pizarro-Flanke an die Unterkante der Latte nagelte, stand der Brasilianer bereit und köpfte den Abpraller gerade genug über die Linie, dass das Schiri-Gespann es bemerkte (60.). Zwölf Minuten später erwirkte Diego dann geschickt einen Strafstoß, welchen er persönlich zwar vergab, aber in der Zweitverwertung nutzte, um Pizarro per Ecke den 3:3-Endstand aufzulegen (73.). Damit war die Blamage noch vermieden und der Notarzt rechtzeitig eingetroffen, um den kurzzeitig leblosen Patienten zu retten. Wie auch immer allerdings: Der SV Werder vollbrachte schließlich Großes, bleibt weiter im europäischen Scheinwerferlicht und qualifizierte sich wie im DFB-Pokal für ein Halbfinale gegen den Erzrivalen HSV.

Maik Großmann



Was heißt, die Türken bauen mir ein Denkmal? Auch in Istanbul sind Denkmäler letzten Endes nur dazu da, damit die Tauben wissen, wohin sie bestimmte Reste absondern können.

— Karl-Heinz Feldkamp, Trainer von Galatasaray Istanbul und türkischer Meister 1993.