Fußballprofis sind auch nur Menschen. Sie werden von Liebeskummer gequält, bei der Arbeit von labernden Zeitgenossen genervt und manchmal sogar von Hunden gebissen - wie Ereignisse aus der Saison 1969/70 beweisen.
Sorgenkinder
Differenzen zwischen Trainern und Spielern gehörten schon immer zum Bundesligaalltag. Beim HSV war der türkische Schlussmann Arkoc Özcan so erbost über seine zwischenzeitliche Ausbootung, dass er die Brocken hinschmeißen wollte und den Coach aufforderte, ihn doch bitteschön überhaupt nicht mehr zu berücksichtigen. Knöpfle ignorierte den zornigen Keeper und blieb bei seinen Wechselspielchen zwischen dem Türken und Gert Girschkowski - das Resultat: Özcan kühlte sich ab und blieb dem HSV noch einige Jahre erhalten. Komplizierter gelagert war der Fall des Aachener Stürmers Roger Claessen. Den Belgier plagte heftiger Liebeskummer, weshalb er nicht nur die Trainingseinheiten bei der Alemannia schwänzte, sondern in seiner Verzweiflung ernsthaft erwog, sich total aus dem Fußballgeschäft zurückzuziehen und als Söldner im Biafra-Krieg zu verdingen. Doch auch für den belgischen Nationalspieler sollte die Sonne wieder scheinen: Im Frühjahr 1970 wurde seine Hochzeit bekannt. Um eine 3.000-Mark-Geldstrafe für das Fernbleiben vom Training kam er allerdings nicht herum. Ein Sorgenkind mit gänzlich anderer Geschichte fristete bei Hertha BSC sein unbefriedigendes Dasein. Der ungarische Ballkünstler Zoltan Varga hatte sich 1967 während eines Länderspieltermins in Mexiko abgesetzt. Bei den seinerzeit zwischen West- und Ostblock bestehenden politischen Spannungen war das kein Kavaliersdelikt: Wegen Republikflucht drohte ihm in Ungarn die Todesstrafe. Bei der Hertha hatte man den offensivstarken Varga unter Vertrag genommen, ließ ihn regelmäßig mit der Bundesligaelf trainieren - nur spielen durfte er nicht. "Mir entfliehen die besten Jahre", klagte der Ungar, der von der Uefa gesperrt war. Erst im Oktober 1970, fast drei Jahre nach seiner Flucht, durfte er für die Berliner in der Bundesliga antreten. Noch im März 1970 lobte Löwen-Trainer Franz "Bimbo" Binder sein jugendliches Sturmjuwel Klaus Fischer in höchsten Tönen: "Bist ein braver Bursch". "Sollte 1860 München wirklich noch absteigen, dann bleibe ich auch in der Regionalliga bei meinem Verein, denn ich habe mich noch nie so wohl gefühlt wie jetzt", gab der Gelobte salbungsvoll zurück. Einen Monat später wollte der "brave Bursch´" bereits nichts mehr von einer Regionalliga-Zukunft mit den Löwen wissen und kündigte an, juristisch prüfen zu lassen, ob er seinen jüngst um zwei Jahre verlängerten Vertrag bei den Sechzigern in der Zweitklassigkeit erfüllen müsste. Musste er nicht; ab der folgenden Saison begann seine langjährige Karriere bei Schalke.
"Blitz" und ein Torwartflüsterer
Bundesligaspiele sind öffentliche Ereignisse. Das Publikum möchte sich an den Leistungen der Spieler erfreuen und die Spieler versuchen auf ihre Art, das Publikum zu unterhalten. Sich mit den Besuchern zu unterhalten, und das auch noch während des Spiels, überfordert allerdings so manchen Kicker. So geschehen am 15. November 1969, während des Gastspiels Rot-Weiß Essens bei Werder Bremen. Ein mitteilsamer Zeitgenosse aus der Besuchermenge hatte sich in den Innenraum der Arena gemogelt, zielsicher das Essener Tor angesteuert, sich neben dem linken Pfosten postiert und begonnen, RWE-Keeper Fred Bockholt ("Er redete ermunternd auf mich ein") einen Knopf an die Backe zu reden. Dem Essener Schlussmann, der versuchte, dem Torwartflüsterer das sofortige Verschwinden nahe zu legen, ging ob der unvermuteten Konversation die Konzentration verlustig. Und seinem Team ein möglicher Punktgewinn - denn während Bockholt debattierte und vergeblich versuchte, einen Ordner auf die Plaudertasche anzusetzen, fuhren die Bremer einen Angriff. Werderstürmer Ole Björnmose scherte sich nicht um die Probleme des Gästekeepers und erzielte den 2:1-Siegtreffer. Essens Proteste wurden vom DFB abgeschmettert. Es gab noch keine trennenden Zäune in den Stadien, was die Schalker Akteure Friedel Rausch und Gerhard Neuser am 6. September 1969 vermutlich ziemlich bedauerten. Zunächst lief für sie noch alles bestens. Pirkner hatte die Führung der Königsblauen beim Revierrivalen aus Dortmund erzielt. Das begeisterte den mitgereisten Anhang dermaßen, dass er vor Freude den Platz stürmte und seine Lieblinge ausgiebig feierte. Ordner mit Hunden griffen deshalb ein, die Versammlung aufzulösen. Es gab jedoch ganz gerissene Fans, die mit einem Schäferhund angerückt waren und vorgaben, dem Ordnungsdienst zugehörig zu sein. Ein Herr Wolfgang M. hatte sich auf diese Weise kostenfreien Zutritt zum Stadion "Rote Erde" verschafft; den Hund "Blitz" hatte er sich von einem Kumpel ausgeliehen. Wo es schon mal mittendrin war, ließ sich das illegale Pärchen natürlich nicht den Sturm auf die Spielfläche entgehen. Und "Blitz" frönte seinem Jagdinstinkt, schnappte nach allem was sich bewegte. Friedel Rauschs Hinterteil kam da gerade recht. Neuser wurde von einem anderen Vierbeiner am Bein erwischt. Der Verein Schalke 04 verzichtete auf einen Protest - mit dem 1:1-Endstand konnte man leben.
André Schulin
Bundesliga Chronik
Einen achtfachen Cognac, bitte!
— Uwe Klimaschefski