Saison 1970/71: Punkte für Geld (Teil III)

von Günther Jakobsen10:11 Uhr | 17.07.2009

Eine derart schwierige Saison hatte Frankfurt in der Bundesliga noch nicht erlebt. Erst am letzten Spieltag konnte man sich den Angstschweiß abwischen und die Rettung feiern. Der hessische Rivale aus Offenbach hatte weniger Glück. Essen baute in der Rückserie gewaltig ab und begleitete die Kickers in die Zweitklassigkeit.

Mitläufer
Sieben Klubs bildeten das mehr oder minder ungefährdete Mittelfeld. Der Meidericher SV, Kaiserslautern, Köln, Stuttgart und Dortmund waren unbehelligt von Abstiegssorgen und abgesehen von guten Platzierungen zum Saisonauftakt chancenlos im Titelkampf. Die Nordvereine Hannover 96 und Werder Bremen hingegen klaubten erst in der Rückserie die überlebenswichtigen Punkte zusammen. Bei den Niedersachsen schwang Trainer Helmuth Johannsen das Zepter, der von Braunschweig zu den 96ern gewechselt und als einziger Übungsleiter jede Bundesligasaison aktiv dabei war. Als Raubeine der Liga galten die Bremer. Damit konnte man an der Weser zur Not leben, aber eine Aktion des FC Bayern ging dem Werder-Vorsitzenden Dr. Franz Böhmert zu weit. Im Stadionmagazin “Bayern-Echo”, herausgegeben von Franz Beckenbauer, stand über die Bremer Mannschaft u.a. zu lesen: “Im Privatleben würde man sie wahrscheinlich wegen Körperverletzung einsperren, auf dem Fußballplatz dürfen sie alles machen. Bei den brutal einsteigenden Bremern wären Knochenbrüche durchaus drin gewesen.” Der Artikel bezog sich auf das Gastspiel der Bayern aus der vorigen Saison, als die Münchener beim 0:1 in Bremen ihre Titelhoffnungen einbüßten, derweil Werder sich damit den Klassenerhalt sicherte. Der vor der Saison entbrannte Streit wurde beigelegt, ein anderer Zwist mit Bremer Beteiligung musste DFB-seitig in der Rückserie geschlichtet werden: Der Frankfurter Stümer Horst Heese und Bremens “Eisenfuß” Horst-Dieter Höttges waren zum wiederholten Mal aneinander geraten. Im Oktober 1970, als Werder bei den Hessen zu Gast war, hatte Heese seinem Gegenspieler prophezeit: “Heute wird abgerechnet. Du wirst das Ende des Spiels nicht miterleben.” Nun, Höttges erlebte das Ende des Spiels zumindest nicht auf dem Platz mit. Nach 37 Minuten musste er verletzt runter - Heese hatte Wort gehalten. Der Bremer war nicht angetan von der Sonderbehandlung - aber bevor sich eine sizilianische Vendetta innerhalb der Bundesliga entwickeln konnte, griff der DFB vermittelnd ein und organisierte ein Versöhnungstreffen der Streithähne.

Auf der Kippe
Fernab des Niveaus früherer Bundesligajahre quälte sich Eintracht Franfurt über die Runden. Mit dem nach Austria Wien gewechselten Österreicher Wilhelm Huberts und dem jugoslawischen Nationalspieler Fahrudin Jusufi (Knochenanbruch) waren zwei Korsettstangen der Mannschaft weggebrochen, die von den Neuzugängen nicht ersetzt werden konnten. „Wir brauchen keinen Beckenbauer, wir haben einen Jusufi“, feierten die Fans der Hessen einst den für seine Offensivvorstöße bekannten Abwehrspieler, dessen Spielaufbauqualitäten ebenso wie die Huberts’ vermisst wurden. Die Folge: Wenig Torchancen und eine mehr als klägliche Ausbeute derselben. „Selbst Tasmania schoss mehr Tore“, legte der „Kicker“ am 15. Spieltag den Finger in die Wunde der Hessen, als sie erstmals in der Saison auf den Tabellenboden knallten: Sechs (!) lumpige Treffer in 15 Spielen - eine Katastrophe. Der 3:0-Erfolg im Lokalderby gegen Offenbach am folgenden Spieltag verbesserte den Schnitt deutlich. Am Ende kamen noch insgesamt 39 Treffer zustande, der Klassenerhalt war jedoch bis zum letzten Spieltag gefährdet.

Im Haifischbecken
Gleiches galt für die drei in Manipulationsgeschäfte verwickelten Klubs aus Bielefeld (abschließend ein 1:0 in Berlin), Oberhausen (1:1 in Braunschweig) und Offenbach (2:4 in Köln). Die Offenbacher Kickers hatten in der Endabrechnung gegenüber dem punktgleichen Rot-Weiß Oberhausen die um einen Treffer schlechtere Tordifferenz und stiegen deshalb ab. Der so bravourös in die Saison gestartete Aufsteiger Rot Weiss-Essen wusste bereits am vorletzten Spieltag, dass die sportliche Rückversetzung in die Regionalliga West nicht mehr zu vermeiden war. In der Winterpause hatte Trainer Herbert Burdenski noch gehofft „Möglichst den Hecht im Karpfenteich zu spielen“. Man sah als Tabellenachter, mit bis dahin respektablen Leistungen und Resultaten, optimistisch in die Zukunft. Burdenski Senior ahnte damals noch nicht, dass aus dem vermeintlichen Karpfenteich ein Haifischbecken geworden war und hinter so mancher Forellenfassade ein Piranha steckte.

André Schulin

Bundesliga Chronik



Wir haben Niko ausgesucht, weil er wie Jupp das Familiäre und Menschliche hat, das ist wichtiger, als wenn uns einer erklären kann, was eine falsche Neun oder flache Raute ist.

— Uli Hoeneß