Schalke 04 zum Saisonstart 2002/2003

von Günther Jakobsen17:41 Uhr | 13.08.2002

Die Blau-Weißen tanzen wieder einmal auf drei Hochzeiten: Liga, DFB-Pokal und UEFA-Cup. Diesmal schreibt jedoch ein Neuer die Schrittfolge vor: Frank Neubarth, der als Torjäger in Bremen einst als „Mr. Europacup“ gefeiert wurde. Vielleicht ein gutes Omen für einen längeren Verbleib im internationalen Wettbewerb als zuletzt.

Die letzte Saison…
…konnte Schalke in der Liga nicht die Rolle aus der Vizemeisterschafts-Spielzeit wiederholen und unmittelbar in den Titelkampf eingreifen. Aufgrund einer starken Rückrunde landete S04 jedoch sicher in der UEFA-Cup-Region und blieb vom Punktestand her lediglich einen Zähler hinter der Vorsaison zurück (61 statt der 62 von 2000/01). Enttäuschend verlief die Champions-League-Premiere der „Knappen“. Die beiden Erfolge gegen RCD Mallorca (4:0) und abschließend Arsenal London (3:1) reichten nicht, um international dabei zu bleiben - das Aus kam in der Vorrunde. Highlight in der Bundesliga war der 5:1-Kantersieg gegen Bayern München am 19. Spieltag. Auch im DFB-Pokal stellten die „Knappen“ den Bayern ein Bein (2:0 im Halbfinale). Im Finale bescherten die Blau-Weißen ihrem scheidenden „Knurrer-Coach“ Huub Stevens ein Happy-End: 4:2 gegen Leverkusen und der zweite Pokalgewinn in Folge. Nach sechs Jahren im Pott wechselte der Holländer zum Ligarivalen Hertha BSC. Stevens war nicht der einzige, langjährig auf Schalke Aktive, der zum Saisonende ging. Verabschiedet wurden Olaf Thon, Jiri Nemec, „Yyyyyyyves“ Eigenrauch, Youri Mulder und Michael Büskens (zu den S04-Amateuren). Oliver Reck gibt seine Erfahrungen, Handschuhe und das Nummer-Eins-Trikot an Frank Rost weiter, wird also zum Torwarttrainer, und stellt sich nur noch im Notfall zwischen die Pfosten.

„Lets have a party all night long“ animierte Lionel Richie die Besucher der Eröffnungsfeier. Mit einem Blitzturnier, der versammelten üblichen, verdächtigen Prominenz und Prime-Time-Fernsehübertragungen feierte Schalke seinen neuen Fußballtempel: Die Arena „AufSchalke“. Als die erste Bundesligapartie im Parkstadion-Nachfolger (am 4. Spieltag) abgepfiffen wurde, hielt sich die Begeisterung beim Schalker Anhang in Grenzen. Die Gäste aus Leverkusen hatten unverschämterweise irgendwie einen Punkt entführt (Endstand 3:3). Vielleicht hätte man das Dach doch schließen sollen…

Die Neuen und der Kader
Mit Oliver Reck, dem Schalker Torwart-Import aus Bremen, hatten die Blau-Weißen einen guten Griff getan. Folgerichtig wurde der nächste Keeper ebenfalls von der Wesermetropole geholt: Frank Rost beerbt Olli Reck also auch im Schalker Gehäuse und wird sogar von seinem Vorgänger gecoacht. Eine Entwicklung, die, angesichts des teilweise recht verbissen geführten Konkurrenzkampfes der beiden aus gemeinsamen Werder-Zeiten, als kuriose Bundesliga-Fußnote gesehen werden muss. Der andere „gestandene“ Profi, den sich die Schalker zur neuen Saison gönnten, ist der dänische Mittelfeldspieler Christian Poulsen (vom FC Kopenhagen). Daneben sind nur noch die Nachwuchsleute Fabian Lamotte (Abwehr, von S04-Amateuren) und Volkan Ünlü (Torwart, von S04-Jugend) neu zum Kader gestoßen. Nachbesserungen sind jedoch nicht ausgeschlossen. Derzeit wird geprüft, ob der Uruguayer Dario Rodriguez (Abwehr, Penarol, WM-Teilnehmer) den recht schlanken Kader noch verstärken kann. Schon zum Saisonstart fehlten verletzungsbedingt wichtige Spieler: Wilmots und van Kerckhoven, außerdem wiesen Sand, Böhme, Mpenza, Hajto, Waldoch und Asamoah noch Trainingsrückstände auf.

Nach dem Praktikum in den Chefsessel
Den nach wie vor guten Kontakten nach Bremen - Assauer war dort als Spieler und Manager tätig - ist es wohl zuzuschreiben, dass BL-Trainer-Novize Frank Neubarth direkt von der Bank der Werder-Amateure (Regionalliga Nord) auf den Schalker Chefsessel wechselte. Ein Transfer, der durchaus als mutig einzuschätzen ist - von beiden Seiten. S04-Manager Rudi Assauer hat allerdings schon öfter mal ein gutes Händchen bewiesen; die überraschenden Verpflichtungen von Stevens und Möller zeugen davon. Seit Januar steht Frank Neubarth bereits auf der Schalker Gehaltsliste und als Nachfolger von Huub Stevens fest. Ein halbes Jahr lang sollte er Zeit haben, seinen neuen Klub sowie seine künftigen Schützlinge kennenzulernen - während Stevens nach wie vor für die Mannschaft verantwortlich war. Diese seinerzeit nicht unumstrittene Ablöse-Regelung hat tatsächlich reibungslos, und mit dem Erfolg im DFB-Pokal auch erfolgreich, funktioniert. Das „Praktikum“ half Neubarth, an seiner neuen Arbeitsstätte schnell Fuß zu fassen. Dem sachlich-nüchternen Ex-Stürmer (97 Ligatreffer für Werder) ist fachlich der Durchbruch auf Bundesligaebene fraglos zuzutrauen. Seine Reaktion auf den Last-minute-Siegtreffer im ersten Spiel gegen Wolfsburg zeigte, dass „Socrates“ auch emotional unter Dampf steht. Appropos Dampf. Auf Wunsch der Spieler sitzt „Stumpen-Rudi“ Assauer eine weitere Saison während der Spiele neben dem Trainer. Stevens hatte das sechs Jahre ausgehalten.

André Schulin

Die Schalke 04-Daten



Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass wir das Spiel gewinnen, wenn ich ehrlich sein soll.

— Christian Streich über einen Freiburger Sieg gegen RB Leipzig