Auch im neunten Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft war die deutsche Nationalmannschaft siegreich. Beim vermeintlich stärksten Gruppengegner Türkei brauchte die Löw-Elf dabei nicht einmal an ihre Leistungsgrenze zu gehen.
Ausgerechnet für das Länderspiel in der Heimat seiner Eltern fiel Özil mit einer Achillessehnenreizung aus. Da die Qualifikation für die Europameisterschaft bereits vor der Partie im Istanbuler Hexenkessel in trockene Tücher gebracht worden war, wollte Bundestrainer Löw kein Risiko eingehen und verzichtete auf den Real-Madrid-Profi genauso wie auf Klose und Kroos. Die heißblütigen türkischen Zuschauer trieben ihre Mannschaft zunächst nicht nach vorne. Zwar kam Hamit Altintop bereits nach fünf Minuten aus wenigen Metern Tordistanz zum Abschluss, DFB-Torwart Neuer lenkte den Ball reflexartig mit seinem linken Arm ins Toraus. Aber ansonsten war die Platzelf in der ersten halben Stunde vor allem in der Defensive zu finden. Die Hausherren machten die Räume für den WM-Dritten eng. Die flinken DFB-Techniker kamen gegen die robusten türkischen Verteidiger lange nicht zum Schuss. Erst als die Gastgeber nach einer halben Stunde im Angriff mutiger wurden, ergaben sich Räume für die Löw-Elf. Es war bezeichnend, dass das 1:0 für Deutschland nach einem Konter fiel. Nachdem Neuer einen Altintop-Schuss sicher gefangen hatte, leitete der deutsche Nationaltorwart mit einem weiten Abwurf den Gegenangriff ein. Müller flankte die Kugel auf Gomez. Der Torschützenkönig der vergangenen Bundesliga-Saison ließ erst seinen Gegenspieler Servet Cetin aussteigen und schoss dann den Ball ins lange Toreck (35.). Immerhin suchten die Türken nun erst Recht die Offensive, allerdings blieb die DFB-Elf mit Kontern gefährlich. Müller (37.) und auf der Gegenseite Burak Yilmaz (39.) schossen den Ball übers Tor.
Nach der Pause ebbte der Druck des EM-Halbfinalisten von 2008 jedoch wieder ab. Die Deutschen hielten den Gegner vom eigenen Tor fern und kamen auch zu einigen Großchancen, weil die türkische Abwehr längst nicht mehr so stabil war wie zu Beginn der Partie. Gomez (55.) und der eingewechselte Schürrle (64.) scheiterten am gegnerischen Schlussmann Volkan Demirel. Müller zielte links am Tor vorbei (58.). In der 66. Minute fiel das inzwischen verdiente 2:0 für die Gäste. Neuer leitete wie beim ersten Tor den Angriff ein, diesmal mit einem weiten Abschlag. Schürrle ließ einen Götze-Pass zu Müller durch, und der WM-Torschützenkönig jagte die Kugel in die lange Torecke. Nach dem zweiten Gegentreffer war die Türkei sichtlich geschockt. Die deutsche Nationalmannschaft traf auf fast keinen Widerstand mehr. Doch im Gefühl des sicheren Sieges wurde der Vizeeuropameister etwas zu sorglos. Gökhan Gönül durfte genauso unbedrängt flanken wie Hakan Balta die Hereingabe volley ins Tor knallen (79.). Nach dem Anschlusstreffer wachte das nach dem 0:2 verstummte türkische Publikum wieder auf. Die deutsche Hintermannschaft wankte zwar nun etwas, aber die Offensive behielt die Nerven und sorgte dafür, dass die Türken nur sieben Minuten lang auf etwas Zählbares hoffen durften. Bereits Schürrle, der eine Großchance mit einem zu unsauberen Abschluss liegen ließ (82.), und Khedira (84.) hätten für die Entscheidung sorgen können. Stattdessen war es Schweinsteiger per Foulelfmeter vorbehalten, das 3:1 zu erzielen, nachdem Gökhan Gönül an der linken Strafraumkante Müller gelegt hatte (86.). Mit dieser Führung im Rücken durfte sich Bundestrainer Löw sogar erlauben, in der Schlussminute dem Gladbacher Reus zu seinem lang ersehnten Nationalmannschaftsdebüt zu verhelfen.
Senthuran Sivananda
Fußball heißt Tore schießen und Tore verhindern. Wir schießen zu wenige und wir verhindern zu wenige. Das zwischen den Toren sieht allerdings manchmal wie Fußball aus.
— Hermann Gerland