Die ruppigen Fahrstuhlzeiten schienen nach drei Jahren Marcel Koller bereits überwunden. Etwas überraschend aber verbrachte Bochum die komplette Hinrunde doch wieder nur an der Klippe, spielte zwar selten wirklich schlechter als der Gegner, schaffte aber trotzdem nur einen einzigen Sieg. Die wichtigste Erkenntnis zur Halbzeit: Am Trainer liegt es nicht.
Mit dem tollen Start der Vorsaison war es zwar nicht zu vergleichen. Dennoch kam der VfL noch relativ ordentlich aus den Löchern und rückte zwei hilflose Pleiten beim KSC und auf Schalke mit einem starken 2:2 gegen Wolfsburg sowie dem ersten Heimsieg nach einem guten halben Jahr (2:0 gegen Bielefeld) wieder gerade. Dass es der einzige Dreier der Hinrunde bleiben würde, war weder zu erahnen noch zu begreifen. Denn Bochum spielte nicht schlecht, weit reifer und solider zumindest als viele der oft schwankenden Konkurrenten. Und vor allem: niemals so desolat, dass dem Gegner das Siegen leicht gefallen wäre. Gerade das wiederum hatte zur Folge, dass man den VfL oft leicht übersah. So bemerkte man im 1:1 in Cottbus vor allem den Lausitzer Fehlstart, im 2:3 gegen Leverkusen eine fast noch verpatzte Gala der Werkself und schließlich im 3:3 beim FC Bayern, Bochums großem Coup der Hinserie, kaum etwas anderes als einen Fehlgriff Jürgen Klinsmanns. In all diesen Spielen zeigte die Koller-Elf eine Menge Potenzial und meist auch die seit jeher vereinseigene Leidenschaft. Was aber weiterhin fehlte, war ein befreiender zweiter Sieg, und als nun trotz überlegenen Spiels auch im wichtigen Heimspiel gegen Gladbach nur ein 2:2 herausspringen wollte, wurde aus einer ambitionierten Saison endgültig wieder leidiger Abstiegskampf.
Die restliche Hinrunde wurde zur beispiellosen Serie an Glücklosigkeit und unbelohnter Mühen. In Stuttgart wurde aus einem 0:0 kurz vor Schluss noch ein 0:2, gegen Hoffenheim aus einer sich anbahnenden Überraschung binnen Minuten eine klare Heimniederlage. Umso ehrenwerter dann, wie sich die Koller-Elf Teams wie dem HSV und Werder Bremen in den Weg stellte (1:1 und 0:0) und auch aus Dortmund und Hannover jeweils einen Zähler mitnahm. Allerdings waren es eben nur Remis, mit der unangenehmen Folge, dass Bochum nicht nur nicht von der Stelle kam, sondern auch immer tiefer im Keller verschwand. Wirklich abstiegsreif spielte der VfL auch weiterhin nie oder raufte sich zumindest noch im selben Spiel wieder zusammen (2:3 nach 0:3 gegen Hertha). Und die einzige Klatsche der Hinrunde (0:4 in Frankfurt) fiel speziell deshalb so saftig aus, weil Daniel Fernandes direkt nach Anpfiff vom Platz gestellt wurde. Trotzdem aber war die Misere mit am Ende 13 Partien ohne Sieg nicht nur ein Auswuchs an Pech. Anders als in den Vorjahren nämlich fehlte dem VfL ein Verwerter, jemand vom Schlage Gekas` oder eines topfitten Sestaks, der in 13 Spielen nur vier Mal ins Tor traf. Auch vom Mittelfeld um Azaouagh, Fuchs und Rückkehrer Freier hatte man sich wesentlich mehr erhofft. Hauptproblem aber blieb zweifellos der Angriff, der sowohl in der Spitze als auch in der Breite zu wenig Qualität aufwies, um die vielfach vorhandenen Chancen zu nutzen. Falls man ihn nun verstärkt bekommt, scheint für Bochum in der Rückrunde daher weiter alles möglich. Zudem steht der VfL für eine neue Mode in der Bundesliga, nämlich dem konsequenten Festhalten am Trainer, was im Falle Marcel Kollers zwar vor allem an den Verdiensten der Vergangenheit liegt, sich irgendwie aber auch richtig anfühlt.
Maik Großmann
Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier.
— Sepp Maier, FC Bayern, zur ,,ruhigen" Meisterschaft 1972 am 30. Spieltag.