Schwyzer Euro-Splitter (Teil 1): Fähnli-Regeln

von Günther Jakobsen11:21 Uhr | 03.06.2008

Während der Euro 08 berichten die Schweizer Journalisten Steffen Rottler und Andreas Beck exklusiv für uns in loser Folge und nicht selten recht launig über allerlei Begebenheiten rund um das Turnier aus dem Land der Eidgenossen. Heute geht es um ein überaus beliebtes Accessoire der Fans.

Fähnli-Regeln

Seit Tagen schon prägen sie unser Straßenbild: Die Fähnli. Gemeint sind kleine Fähnchen, die man in die Fenster des Autos klemmt, um so der Vorfreude, der Verbundenheit mit seinem Land oder einfach der Lust an Farbe und Form Ausdruck zu verleihen. Doch ganz so unproblematisch sind die In-Accessoires nicht. Zugelassen sind sie nämlich nur innerorts, aber bereits sieht man derart geschmückte Autos über die Autobahnen brettern. Grund genug für die Berner Polizei, ein Merkblatt für den korrekten Umgang mit Fähnli zu erlassen. Schließlich ist der Ausdruck von Freude nicht ganz ungefährlich. Ex Servette-Spieler Paulo Diogo hat beispielsweise beim Torjubel seinen Ringfinger verloren, weil er mit dem Ehering am Absperrgitter auf der Schaffhauser Breite hängen geblieben ist. Man kann sich nun zwar fragen, ob nicht eher der Ehering statt der Torjubel die Ursache war. Aber lassen wir das! Überwunden scheint Diogo den Verlust zu haben. Jedenfalls spielt er nun selber für Schaffhausen. Doch zurück zu den Fähnli! Auch ich wollte nicht zurückstehen und habe mir auf Drängen der jüngeren Tochter ein schönes rotweißes Stück im offiziellen Fan-Shop erworben, fein säuberlich zusammengerollt. Doch genau das war das Problem! Beim Entrollen zu Hause entblätterte ich nämlich nicht ein weißes Kreuz auf rotem Grund, sondern Mondsichel und Stern. Ausgerechnet die Türkei, unser Schweizer Gruppengegner! Sofort kamen die Bilder des Traumas von Istanbul wieder hoch, wo wir zwar die Barrage zur WM gewonnen hatten, sich aber schlimme Szenen in den Katakomben abspielten. Bei aller Offenheit: ein türkisches Fähnli klemme ich nicht an mein Auto.

Allerdings habe ich als Berner viele schöne Momente im Wankdorf Hakan Yakin zu verdanken Yakin, der die Schweizer Super League dominiert hatte, Torschützenkönig wurde und türkische Wurzeln hat. Oder mein Jugendidol Kubilay Türkylmaz, der eben erst im letzten Test vor der Euro vom ewigen Torschützenthron gestoßen wurde! Und was ist mit Baykal Kulaksizoglu? War er nicht eine treibende Kraft hinter dem Champions League Märchen des FC Thun? Ganz zu schweigen von Galatasaray Istanbul, das letztes Jahr in einem Freundschaftsturnier den schönsten Fußball auf den Rasen gezaubert hatte, den wir im Wankdorf je zu Gesicht bekommen hatten. Und zu guter Letzt wäre da ja auch noch Selcuk, der nette Kerl von der Kebab-Bude nebenan.

Aber auch Seki ist ein guter Kollege, und Seki ist Kurde. Nur hat das ja nichts mit Fußball zu tun. Genau so wenig, wie das Staudammprojekt, das historische Schätze in der Türkei zerstört, aber Geld in die Kasse spült. Auch in unsere, muss ich zu meiner Schande gestehen! Wie auch immer: die Türken sind heiß auf eine Revanche, und wir freuen uns drauf. Das Fähnli schenke ich Selcuk und hole mir dafür ein neues mit Kreuz. Ich hoffe, Selcuk fährt damit nicht auf die Autobahn! Aber hat Selcuk überhaupt einen Wagen? Sei’s drum! Für ein Döner-Abonnement auf Lebenszeit gebe ich ihm meinen Skoda gleich mit dazu!

Andreas Beck



Er hat gespielt wie ein Gag.

— Mehmet Scholl über Leroy Sané beim 2:2 zwischen Deutschland und Ungarn (EM)