Die in den kommenden Wochen in loser Reihenfolge angesetzte Vorstellung der EM-Teilnehmer beginnt mit dem Titelverteidiger. Spaniens Nationalelf genoss dank seiner Erfolge und Spielstärke die ungeteilte Anerkennung, im internationalen Fußball zu Recht an der Spitze zu stehen. Der Ausfall zweier Schlüsselspieler sowie jüngere Testspielresultate lassen die Konkurrenz jedoch hoffen.
An der gewachsenen Bedeutung des spanischen Fußballs gibt es nichts zu deuteln. Die Erfolge der Klubs und der Nationalmannschaft, die die wichtigsten Titel einkassierten, sprechen für sich. Barca, in den Jahren 2009 und 2011 mit seinen Champions-League-Triumphen und Atletico Madrid (2010 und 2012) sowie der FC Sevilla (2007) als Europa-League-Gewinner, dokumentieren die Stärke der Iberer auf Vereinsebene. Die Nationalmannschaft, lange Jahre nur mit dem EM-Titel von 1964 auf der Referenzliste, schickte ihrem EM-Erfolg des Jahres 2008 gleich den Weltcup-Coup 2010 hinterher. Ob „La furia Roja“ (die rote Furie) noch stark und vor allem hungrig genug ist, auch die Europameisterschaft 2012 zu dominieren, wird allerdings hinterfragt, nachdem sich in der zweiten Jahreshälfte 2011 einige negative Ergebnisse aufreihten.
Zwischen Februar 2007 und Juni 2009 bauten die Iberer eine fantastische Serie von 35 Länderspielen in Folge auf, die durch keine Niederlage verunziert wurde. Gleiches kann sonst nur noch Brasiliens Selecao vorzeigen. Eine 0:2-Pleite beim Confed-Cup gegen die US-Boys kappte zwar den Erfolgslauf, war jedoch - wie der WM-Erfolg von 2010 unterstreicht - lediglich ein Ausrutscher. Die kurz aufeinander folgenden Niederlagen in Italien (1:2, Aug. 2011) und England (0:1, Nov. 2011) sowie die 2:2-Punkteteilung in Costa Rica (Dez. 2011) nagten angesichts der nahenden EM 2012 dann aber doch am Image der Spanier - „La furia Roja“ hatte ein wenig an Schrecken verloren. Coach Vicente del Bosque meinte deshalb, zu den EM-Chancen Spaniens befragt: „Es gibt jetzt viel mehr Topteams als vor ein paar Jahren. Mannschaften wie die Niederlande, Deutschland, Italien, England oder Frankreich werden auf uns treffen und das wird eine schwierige Aufgabe.“
Auf seinen etatmäßigen Kapitän Carles Puyol (Barca) muss del Bosque verzichten. Eine Knie-Operation setzt den Routinier und Abwehrchef außer Gefecht. David Villa, ebenfalls Barca, der beste spanische Goalgetter (51 Tore in der Nationalelf), wurde nach seinem Beinbruch nicht rechtzeitig fit und fehlt ebenfalls. Somit hat der über einen längeren Zeitraum formschwache Fernando Torres (FC Chelsea) eine bessere Chance - wenn auch keine Garantie -, einen Platz im Sturm der Iberer zu bekommen. Del Bosque nominierte in einem ersten, 21-köpfigen Kaderaufgebot eine Vielzahl an Neulingen, oder in der Nationalelf wenig zum Einsatz gekommener Akteure wie Monreal, Isco (beide FC Malaga) und die Atletico-Akteure Dominguez und Adrian. Da die Spieler vom FC Barcelona und Athletic Bilbao in dieser Vorauswahl aufgrund des ausstehenden Pokalfinales noch nicht berücksichtigt waren, dürfte, nach deren Einbindung, der endgültige Kader jedoch deutlich anders aussehen. Möglicherweise bekommt das 19-jährige Offensivtalent Iker Muniain (Bilbao) die Chance, erstmals bei einem großen Turnier aktiv zu werden. Interessant und offen ist die Frage, wer die Rolle des zentralen Stürmers einnimmt: Fernando Llorente (Bilbao) oder Roberto Soldado (Valencia) sind aussichtsreiche Bewerber.
Spanien trifft gleich im ersten Spiel auf den vermutlich härtesten Rivalen der Gruppe C, die Auswahl Italiens. Deren Coach, Cesare Prandelli, sieht die Iberer als Favorit für das Turnier: „Sie sind nicht schwächer als vor zwei Jahren“, meint er - was wohl nicht ausschließlich als taktisches Manöver zu verstehen ist. Dass höherer Ballbesitz, wie von „La Roja“ praktiziert, allerdings nicht gleichbedeutend mit Erfolg sein muss, vermittelten gerade die Italiener mit ihrem Testspielerfolg über Spanien. Den beiden anderen Gruppenmitgliedern Kroatien und Irland bleibt im Vergleich mit den Iberern nur eine krasse Außenseiterrolle.
Mögliche Aufstellung: Casillas - Iraola, Ramos, Piquet, Arbeloa, - Busquets, Xabi Alonso, Iniesta, Xavi, Silva - Soldado (Llorente)
André Schulin
Der BVB ohne Südtribüne ist wie Fußball ohne Ball.
— Hans-Joachim Watzke zur Sperrung der Südtribüne im Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg