Sturmlauf mit Handbremse

von Günther Jakobsen11:02 Uhr | 17.09.2008

Erstmals überhaupt startete Werder in die Königsklasse nicht mit einer Niederlage und blamierte sich trotzdem bis auf die Knochen. Mit einer kopf- und saftlosen Vorstellung sowie einem denkwürdigen Abschlussproblem verpassten die Hanseaten den eingeplanten Pflichtsieg und manövrierten sich für die nächsten Aufgaben in eine ungemütliche Lage. Famagusta sorgte mit dem 0:0 für eine weitere Sensation.

Offiziell begründet mit einer Rückenblessur verzichtete Thomas Schaaf auf Frank Baumann und ersetzte seinen Kapitän durch Mesut Özil, der sich zuletzt mehrfach für die Startelf empfohlen hatte. Die Marschroute war also klar: Mit voller Offensivpackung wollte Werder sich den Fußballzwerg greifen und mit einem möglichst frühen Tor seine erwartete Mauerstellung sprengen. Tatsächlich begann Famagusta, dem drei wichtige Abwehrspieler fehlten, nicht ganz so zäh wie gedacht. Von Anfang an zwar führte Grün-Weiß die Regie, musste sich aber immer auch wieder vorsehen, den durchaus ballsicheren Zyprern nicht in einen Konter zu laufen. Für das erhoffte Führungstor war daher Verstand gefragt, den die Bremer trotz aller Feldvorteile nicht ohne weiteres aufbrachten. Über den rechten Flügel passierte wenig, über links nahezu gar nichts, während in der Mitte Diego, Jensen und der tatsächlich belebende Özil meist vergeblich nach den passenden Lücken suchten. Chancen entsprangen dem immer verkrampfteren Auftritt dennoch, erst auf ein Zuspiel von Fritz (16.), dann nach Kopfballvorlage Özils (24.) und besonders noch einmal kurz vor der Pause, als Jensen eine herrlich öffnende Flanke schlug (44.). In allen drei Fällen aber scheiterte Claudio Pizarro, der insgesamt einen denkwürdig glücklosen Abend erlebte.

Hätte Werder sich nun etwas gesteigert und wie zuletzt gegen Cottbus geduldig und entschlossen weiter am Führungstor gewerkelt, niemand hätte über das bisher Gewesene die Nase gerümpft. Statt dessen aber wurde Grün-Weiß immer schwächer. Zunächst musste Tim Wiese ein erstes Mal eingreifen, als der eingewechselte Taher plötzlich Mertesacker ausgebüchst war (50.), dann verpasste erneut Claudio Pizarro das 1:0, als er einen scharfen Diego-Schuss mit der Sohle knapp um den Pfosten lenkte (52.). Als kurz darauf Markus Rosenberg nach einem Abseitstor die Gelb Karte sah, verlor als erster Thomas Schaaf die Geduld und wechselte den eigentlich stärkeren Stürmer aus. Sanogo allerdings, der den Schweden ersetzte, unterbot dessen Leistung bei weitem und sorgte mit zwei kläglichen Abschlüssen für weiteren Unmut. Was eigentlich ein lockerer Pflichtsieg hatte werden sollen, war mittlerweile ein Nervenspiel. Mehr denn je stellte sich Anorthosis nun hinten rein und nahm den Hanseaten, besonders den Kreativen wie Diego und Özil, so immer mehr die Lust am Spiel. Werder wiederum reagierte darauf weder entschlossen noch mit der nötigen Intelligenz. Famagustas Keeper Beqaj etwa machte keinen starken Eindruck und musste trotzdem keinen ernsthaften Ball parieren, weil die Heimelf unentwegt danebenschoss. Den dicksten Hund erlaubte sich schließlich Almeida, der, für Pizarro ins Spiel gekommen, allein auf den Torwart zulief und das Ziel überhastet um mehrere Meter verfehlte (79.). Damit war das Spiel bereits gelaufen. Völlig überraschend erreichte Famagusta nach seiner ohnehin sensationellen Qualifikation gleich im ersten Spiel in der Champions League einen Punkt und damit mehr als Werder in seinen ersten fünf Versuchen. Das gnädige Auftaktprogramm droht nun gar zu einem Bumerang zu werden, denn während sich Athen und Inter Mailand nacheinander an den Zyprern vergehen können, gehen die Bremer ungepolstert zweimal auf Reisen.

Maik Großmann



Wenn man in Wembley eine große Party feiern will, dann darf man auf keinen Fall die Deutschen einladen.

— Alan Shearer