Portugal und Mexiko geschlagen. Südkorea das einzige Remis abgetrotzt. Gegen Polen total untergegangen. Die Nationalelf der Vereinigten Staaten von Amerika zeigte uns bei der WM die ganze Palette verschiedenster Leistungsvarianten, die das Team anzubieten hat. Welche Launen von den einzelnen Mannschaftsteilen zu erwarten wären, haben wir schon einmal genauer betrachtet.
Der Torwart
Brad Friedel, der (körperlich) mächtige Keeper des Viertelfinalisten, zeigte bei den bisherigen Spielen die ganze Bandbreite an Stärken und Schwächen, die man von einem Weltklassetorwart eigentlich nicht erwartet. Gerade in dem Zu-Null-Spiel gegen Mexiko zerbröselte der Status vom angehenden Weltklassetorwart, der ihm nach der Klasse-Leistung gegen Südkorea schon untergeschoben wurde. Eine grausige Faustabwehr hier, ein Stellungsfehler dort und verschiedene Fangunsicherheiten konnten die deutschen Spione notieren. Gehen wir lieber davon aus, dass der bullige Kahlschädel gegen Deutschland ohne Nervosität ins Spiel geht und grandios hält. Einen Schwachpunkt sollten Beobachter des US-Teams derzeit jedenfalls nicht in Friedel erwarten.
Die Abwehr
Bislang setzte Trainer Arena in jedem WM-Spiel auf die Viererkette. Anthony Sanneh vom 1. FC Nürnberg spielte den rechten Part solide bis sehr gut und hatte nur gegen die Polen einen schlechten Tag. Auf der linken Seite steht mit Frankie Hejduk ein Reservespieler von Bayer Leverkusen, der sich überraschenderweise als stabilster Posten im Abwehrverbund präsentierte, obwohl er als Mann der rechten Seite bekannt war. Gegen Mexiko war er aufgrund zweier Gelber Karten gesperrt und von Gregg Berhalter nur unzulänglich vertreten. In der Innenverteidigung konnten die beiden Athleten Eddie Pope und Jeff Agoos größtenteils überzeugen. Doch in jeder Begegnung gab es auch Aussetzer, d.h. unnötige Fouls, Fehler im Stellungsspiel und Kopfballschwächen. Verlassen sollte man sich darauf nicht. Während Pope mit ziemlicher Sicherheit gegen Deutschland auflaufen dürfte, stehen für den gegen Polen arg enttäuschenden Agoos die beiden bewährten Pablo Mastroeni und Carlos Llamosa bereit. Unbezwingbar ist die Abwehr wahrlich nicht. Die sieben bisherigen WM-Gegentore sprechen Bände.
Das Mittelfeld
Kommen wir zum Herzstück des US-Teams. Mit Landon Donovan, Claudio Reyna, John O’Brien, DaMacus Beasley, Eddie Lewis oder/und Earnie Stewart besetzt, zeigte dieser Mannschaftsteil die wenigsten Launen in den bisherigen Auftritten der USA. Im Einzelnen: Donovan bevorzugt die rechte Seite, ist lauffreudig, technisch versiert, hat einen guten Schuss und machte auch ein Kopfballtor. Seine Leistung explodierte geradezu bei dieser WM. Vor allem ist er unberechenbar und taucht immer dann auf, wenn man gerade wieder nicht mit ihm rechnet. Reyna (früher u.a. in Wolfsburg) hat sich zu einem großen Mittelfeldregisseur entwickelt. Unterstützt wird er vom schussstarken O’Brien, der aus allen Lagen abzieht, aber hauptsächlich als „Arbeitstier“ vor der Abwehr agiert. Sehr wertvoll und wie Donovan eine WM-Entdeckung. Gegen Mexiko stand Lewis auf der linken Außenbahn und überzeugte in der Defensive gegen den in der Vorrunde so starken Arellano. Zudem bereitete er mit einem wunderbaren Flankenlauf das 2:0 für Donovan vor. Zuvor konnte Beasley auf dieser Position überzeugen, der ebenfalls durch gekonnte Flügelläufe auffiel und technisch überzeugte. Damit hatten sich Lewis und Beasley vor dem Routinier Stewart, der sich gegen Polen aus dem Team kickte, für die Viertelfinal-Startelf empfohlen. Wem Coach Arena das Vertrauen schenken wird, ist völlig offen.
Der Angriff
Brian McBride ist im Angriffszentrum gesetzt. Nicht nur seine beiden bisherigen Tore sprechen für ihn. Seine Beweglichkeit, die immense Kopfballstärke und der Torinstinkt, die wichtigste Gabe eines Topstürmers, lassen nicht an seinem Einsatz zweifeln. Wie viele andere im Team, war er allerdings gegen Polen ein Totalausfall. Gegen Mexiko stand Josh Wolff neben McBride im Angriff, glänzte mit der tollen Ablage auf McBride zur 1:0-Führung, vergab aber auch allein vor Perez eine dicke Chance. Er wurde zuletzt gegenüber dem etatmäßigen Torjäger Clint Mathis bevorzugt, der in Normalform der beste Angreifer der USA ist, doch bei diesem Turnier enttäuschte. Mathis ist unberechenbar, quirlig, schussstark und launig. Weitere Stürmer stehen mit den früheren Stammspielern Cobi Jones und Joe-Max Moore noch im Hintergrund, wobei vor allem Jones bei seinem Auftritt gegen Mexiko für einigen Wirbel in deren Deckung sorgen konnte.
Fazit
In vielen Kommentaren und Begutachtungen des US-Teams wird erwähnt, dass das deutsche Team mit diesem Gegner wieder einmal Glück in der Turnierkonstellation gehabt hätte. Oliver Kahn erinnerte zurecht an die letzten beiden WM-Viertelfinals der Deutschen gegen Bulgarien (1994) und Kroatien (1998). Auch diese Teams waren Außenseiter und erwiesen sich für unser Team als schlichtweg zu stark. Und wenn die US-Boys unsere Mannschaft schlagen sollte, sind Donovan, Reyna & Co. plötzlich Weltklassespieler, wie damals Letchkov und Suker. Doch mit dem Wissen um die Gefahr, die von den US-Boys ausgehen könnte, dürfte dieser Gegner mit einer konzentrierten Leistung zu schlagen sein.
Die Fans müssen wissen, dass ich kein Clown bin.
— Oliver Kahn