Türkisches Exil

von Günther Jakobsen13:51 Uhr | 01.08.2006

Ausrangierte Spieler, die sich bereits auf der Zielgerade ihrer Karriere befinden und die nur noch vom einstigen Klang ihres Namens leben, wechseln gern ins ferne Ausland. Mit schwindender Leistung und wachsendem Alter lässt sich so ein letzter, lukrativer Vertag aushandeln. Die Vereine, die einen Alt-Star verpflichten gehen hingegen ein hohes Risiko ein, das allein durch den Trikotverkauf nicht aufgewogen werden kann. Beliebte Adressen sind Japan, Dubai, Russland – und die Türkei.

Der Wechsel des Berliner enfant terrible zu Trabzonspor ist jetzt amtlich. Marcelinho hat sich längst in die Türkei abgesetzt und lässt sich von den Fans vor Ort feiern. Ein rauschender Empfang war das, als sei er der neue Heilsbringer. 2,5 Millionen Euro Ablöse hat er letztlich gekostet, 1,6 Millionen soll er angeblich verdienen. Und dass zum Schluss nur noch die blanken Zahlen interessieren, daran ist der Brasilianer selbst schuld. Seine Zauberkraft hat nachgelassen, der Ball wollte seinen Einflüsterungen nicht mehr gehorchen. Stattdessen füllten negative Schlagzeilen häufiger die Presse, die neuntägige Verspätung, mit der er aus dem Sommerurlaub zurückkam, brachte das Fass zum Überlaufen. Tränen des Abschieds sind in der Hauptstadt eher Mangelware.

Mit Sicherheit haben es sich die Verantwortlichen nicht leicht gemacht, schließlich hat die Hertha Marcelinho einiges zu verdanken. Oft war er der einzige Hoffnungsschimmer am trüben Berliner Fußballhorizont, ein Hackentrick hier, ein doppelter Übersteiger dort, oft hat er die Hertha in der Nachspielzeit noch gerettet. Obwohl Marcelinho schon früh als Diva verschmäht wurde, vermochte er trotzdem fußballerisch zu überzeugen, um selbst den schärfsten Kritikern den Zahn zu ziehen. Am Ende jedoch scheint es nur eine Frage der Zeit gewesen zu sein. Irgendwann musste er den Bogen einfach überspannen und gehen. Vielleicht ist ihm noch ein letzter türkischer Frühling vergönnt.

Das war bis vor kurzem auch ein Gedanke, den auch man getrost auch mit einem weiteren Brasilianer in Verbindung bringen konnte. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, wonach es Roberto Carlos ebenfalls in die Türkei zieht. Fenerbahce Istanbul war an der Verpflichtung des 128-maligen Nationalspielers interessiert, erhielt aber nicht den erhofften Zuschlag. Carlos sagte der spanischen Sportzeitung AS: "Ich will bei Real bleiben. Der Trainer zählt auf mich und hat gesagt, dass er mich unbedingt halten will." Nach der Unterredung mit dem neuen Real-Trainer Fabio Capello wurde somit allen Spekulationen ein Riegel vorgeschoben und basta. Ob der 33-jährige noch einmal in Tritt kommt ist fraglich. Eine miese WM, deren Höhepunkt die aufreizende Lässigkeit bei der Bewachung von Thierry Henry markierte, sprechen nicht gerade für den alternden Carlos. Wenn es gut läuft, kickt er noch ein weiteres Jahr bei Real und verabschiedet sich dann ins ferne Ausland. Sein Name wird dann immer noch nach Freistosstoren und Flankenläufen klingen und sein Trikot wird bestimmt wieder zum Verkaufsschlager – egal wo er spielt.

Paul Linke (11 Freunde)



Im Leben gibt es nicht nur Sahnestücke, sondern auch harten Butterkuchen.

— Dieter Burdenski